© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/24 / 23. August 2024

Bildungs- statt Schul­pflicht
Österreich: Der bildungs­politische Sprecher der FPÖ, Hermann Brückl, kritisiert die Schulmisere in unserem Nachbarstaat und schildert, wie man die Probleme lösen könnte
Curd-Torsten Weick

Sehr geehrter Herr Brückl, ein Viertel der vier- und fünfjährigen Kinder in Österreich benötigt Deutschförderung. Was läuft da schief?

Hermann Brückl: Unkontrollierte Zuwanderung nach Österreich, eine katastrophale Migrationspolitik und völlig verfehlte Integrationspolitik, das sind kurz zusammengefaßt die Schlagworte, die zu dieser Entwicklung geführt haben. ÖVP, SPÖ und Grüne haben in ihrer Regierungsverantwortung über Jahre und Jahrzehnte hinweg eine völlig unkontrollierte Zuwanderung nach Österreich zugelassen, sie vielfach sogar noch unterstützt. Die Zuwanderergruppen haben sich separiert und es sind Parallelgesellschaften entstanden, eine eigene Welt sozusagen, in der nicht Deutsch gesprochen wird. Mit dem Ergebnis eben, daß eines der größten Probleme, die wir in Österreich im Bildungsbereich haben, die mangelnden Sprachkenntnisse von Kindern sind.

Welche Rolle spielen die Eltern dabei?

Brückl: Sie nehmen aus meiner Sicht ihre Verantwortung gegenüber ihren Kindern nicht oder viel zuwenig wahr, wenn sie sie nicht beim Lernen der Sprache unterstützen und ihnen nicht den notwendigen Leistungsgedanken und Leistungswillen vermitteln. Sprache ist essentiell. Ohne ausreichende Sprachkenntnisse haben Kinder nie eine Chance zum beruflichen und persönlichen Aufstieg. Wie dramatisch die Situation ist, beweisen Zahlen der Statistik Austria. Die Daten aus dem Schuljahr 2021/22 beispielsweise zeigen, daß die Hälfte der Wiener Schüler Deutsch nicht als Umgangssprache spricht. Da sind Gymnasien und berufsbildende höhere Schulen, in denen der Anteil geringer ist, bereits eingerechnet. Das heißt, unter den Wiener Volksschülern ist der Anteil noch wesentlich höher. 

Wie sieht es beim Lehrpersonal aus?

Brückl: Im Ergebnis wollen immer mehr Lehrerinnen und Lehrer lieber früher als später den Schuldienst verlassen. Wir leiden an einem chronischen Lehrermangel. Noch im April dieses Jahres waren knapp 7.000 Lehrerdienststellen ausgeschrieben beziehungsweise nicht besetzt. Da reden wir von etwa 100.000 Unterrichtsstunden, die größtenteils nicht oder zumindest nicht ordnungsgemäß gehalten werden können. Die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die am Ende ihrer Schullaufbahn nicht ordentlich lesen, rechnen und schreiben können, steigt ständig. Vor einiger Zeit hat uns die Pädagogische Hochschule Salzburg – dort werden künftige Lehrer ausgebildet – wissen lassen, daß etwa ein Drittel ihrer Bewerber Probleme in den Grundkompetenzen haben. 

Hinzu kommen eine Vielzahl an gesellschaftlichen und religiösen Konflikten, die an unseren Schulen ausgetragen werden. Dieses Konfliktfeld Schule ist ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Die Palette reicht hier von Mobbing über Bombendrohungen bis hin zu körperlicher Gewalt. Nahezu tagtäglich finden sich neue Berichte in den Medien. Wen wundert es da, wenn Lehrer nicht mehr unterrichten wollen, weil Schüler bewaffnet in die Schulen kommen, sie von ihrem Dienstgeber, von den Schulbehörden keine Rückendeckung erfahren und gleichzeitig mit immer mehr Bürokratie zugeschüttet werden? Die Situation ist vor allem im urbanen Bereich dramatisch.

Wie würde die FPÖ der Misere begegnen? Wie lautet das freiheitliche Bildungsprogramm?

Brückl: Zum ersten: Wir wollen eine Bildungspflicht statt einer Schulpflicht. Künftig sollen den Schülern Bildungsziele vorgeben werden, die sie erreichen müssen. Dies soll gewährleisten, daß Volksschüler ordentlich lesen, rechnen und schreiben können, daß das musische und körperliche Element unterstützt wird. Zum zweiten: Mehr Gewicht auf die Sprache. Deutsch muß Voraussetzung sein für den Schuleintritt. Wer in Österreich nicht Deutsch spricht, kann nicht in die Schule gehen! Er belastet damit nicht nur die Lehrer, sondern schwächt dadurch auch die restlichen Kinder in der Klasse. Dies bedeutet für uns den Ausbau der unter unserer Regierungsbeteiligung von 2017 bis 2019 und von uns damals geforderten Deutschförderklassen. Zum dritten: Den Aus- und Umbau und die Neuschaffung von berufsorientierten Schultypen. Wir müssen für Kinder und Jugendliche frühzeitig die Möglichkeit schaffen, daß sie herausfinden und erkennen können, wo ihre Talente, Begabungen und Interessen liegen. Dies gilt insbesondere in den handwerklichen und gewerblichen Bereichen. Zum vierten: Die Installierung eines ordentlichen Konfliktmanagements. Wir haben dazu bereits vor Jahren einen sogenannten Neun-Punkte-Plan vorgelegt. Dieser soll einerseits eine klare Vorgehensweise bei auftretenden Problemen in den Schulen vorgeben und den Lehrern die notwendige Sicherheit geben. Der Plan enthält Maßnahmen zur Prävention, der Konflikt-Resilienz und der Deeskalation. Er beinhaltet unter anderem die möglichen Konsequenzen bei Fehlverhalten, vom Gespräch über die Ermahnung bis hin zum Schulverweis. Hinzu kommen noch viele weitere Maßnahmen, die wir einfordern. Beispielsweise die tägliche Lese­stunde im Primarbereich oder die „Aufwertung“ des Schulbuchs, mehr Analog, weniger Digital im Klassenzimmer.

In Oberösterreich ist die FPÖ in Regierungsverantwortung. Gibt es im schulischen Bildungsbereich Unterschiede zwischen Oberösterreich und Wien?

Brückl: Der in Österreich herrschende Föderalismus gibt grundsätzlich vor, daß für den bildungspolitischen Bereich der Bund verantwortlich ist. Die Länder sind grundsätzlich für die Infrastruktur, sprich Schulgebäude, teilweise für Lehrpersonal zuständig. Aber die Unterschiede zwischen Wien und Oberösterreich sind schon groß. Oberösterreich ist ein Industriebundesland, das gleichzeitig ländlich geprägt und kleiner strukturiert ist. In Wien beispielsweise ist es so, daß mittlerweile jedes siebte Schulkind dem Unterricht nicht mehr folgen kann, weil es ganz einfach die Sprache nicht kann. In den kleinen Städten und Gemeinden in Oberösterreich haben wir diese Probleme derzeit noch kaum.

Kennen Sie erfolgreiche Bildungsmodelle aus anderen Ländern, die als Inspiration dienen könnten?

Brückl: Wir Freiheitliche haben uns in den vergangenen Monaten eine Vielzahl an Schulsystemen in anderen Ländern angesehen. Da kann man sich doch einiges abschauen. Schweden zum Beispiel hat zwar eine Gesamtschule, überprüft aber den Wissensstand und das Können der Kinder und Jugendlichen alle drei Jahre. Außerdem schenkt man in einigen Ländern Europas wieder dem Schulbuch mehr Augenmerk. Weniger Arbeiten mit Handys, Tablets und PCs, dafür will man die haptischen Fähigkeiten und das Merkvermögen der Schüler wieder mehr fördern. Was wir aber festgestellt haben, ist, daß im Grunde genommen alle Länder die gleichen Probleme haben. Das größte davon ist die überbordende Migration nach Europa und das fehlende Wissen um eine funktionierende Integration. 


Hermann Brückl ist Abgeordenter der FPÖ im österreichischen Parlament und bildungspolitischer Sprecher der Partei.