Unter dem Motto „Weltbild goes green“ wurde eifrig daran gearbeitet, klimaneutral zu werden. Dazu „optimieren wir unsere Prozesse, Produkte, Verpackungen, die Logistik und engagieren uns“, hieß es bei der Weltbild D2C Group. Nun ist das Ziel erreicht: Der Buchversand wird nach dem 31. August keinen CO₂-Fußabdruck mehr hinterlassen. Der Geschäftsbetrieb wird eingestellt. Betroffen sind bundesweit auch 14 stationäre Läden, in denen Bücher, Filme und Geschenkartikel angeboten wurden. Ob das Firmenmotto „We build & buy e-commerce brands people love“ für andere Weltbild-Firmen weiter gilt, verrät der Eigner, die Düsseldorfer Droege Group AG, nicht.
Die D2C Logistics GmbH, die Lernplattform D2C digital, die W24 eTrading, die Berliner Firma Fitz & Huxley („Nachhaltige Rucksäcke und Taschen“), der Restauflagenhändler Jokers („Wo kluge Leute Bücher kaufen“), die Buchhandelsplattform Buecher.de und die Kinderwelt Tausendkind haben ebenfalls Insolvenz angemeldet. Beim Kölner Großhändler Avus Buch & Medien und dem Kaarster Versender Gärtner Pötschke äußerten sich die Insolvenzverwalter immerhin optimistisch. Dabei war der 1948 in Augsburg für die Herausgabe frommer Texthefte und der Zeitschrift Mann in der Zeit gegründete katholische Verlag Winfried-Werk einst ein Erfolgsmodell. 1972 begann unter dem Namen Weltbild der Bücherversand. 1975 wurde der Niederländer Carel Halff von den Eignern – Diözesen, Bistümer und das Militärbischofsamt – als Geschäftsführer eingestellt. Unter ihm wurden aus 600.000 D‑Mark schließlich 1,9 Milliarden Euro Jahresumsatz und ein internationaler Firmenverbund mit 7.000 Mitarbeitern. In guten Jahren soll Weltbild der Kirche etwa 50 bis 100 Millionen Euro eingebracht haben.
Eine andauernde Verlustsituation und keine erneute Kapitalspritze
Durch die Zusammenarbeit mit Hugendubel stieg die Zahl der Filialen in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf 420. Mit anderen Partnern wurde in die Niederlande, nach Polen und nach Rußland expandiert. Mit dem Erfolg von Amazon und Umsatzrückgängen kam die erste Zäsur. Die Eigentümer wollten Weltbild 2008 verkaufen – doch zur falschen Zeit: „Vor dem Hintergrund der anhaltenden Wirtschafts- und Finanzkrise ist eine Veränderung der Gesellschafterstruktur zu angemessenen Bedingungen derzeit nicht realistisch“, mußte Weltbild-Aufsichtsratschef Klaus Donaubauer, Finanzdirektor des Bistums Augsburg, 2009 kleinlaut eingestehen.
Halff setzte weiter auf Digitalisierung und Weltbild stieg ins Geschäft mit E-Books ein. Doch die Angebotsverbreiterung um „anstößige“ Bücher wie die „Fifty Shades“-Trilogie der Britin E. L. James brachte Ärger. Und Papst Benedikt XVI. sah sich veranlaßt, sich gegen die „Verbreitung von Material erotischen oder pornographischen Inhalts, gerade auch über das Internet“ auszusprechen. Der Verlag bot zudem ein Videospiel an, in dem Luftschlachten des Zweiten Weltkriegs nachgespielt werden konnten. Andere störten sich an den umsatzstarken Harry-Potter-Büchern oder dem „Da Vinci Code“-Roman „Sakrileg“ von Dan Brown.
Halff mußte versprechen, „Gewalt verherrlichende, sexistische, rassistische oder grob beleidigende Bücher“ nicht anzubieten, denn Weltbild sei ein „weltliches Wirtschaftsunternehmen mit kirchlichen Trägern“. Doch mit frommen und politisch korrekten Angeboten ist kein Milliardenumsatz zu machen – im Januar 2014 mußte der damals zweitgrößte deutsche Buchhändler erstmals Insolvenz anmelden. Die Droege Group stieg als Mehrheitseigentümer ein und rettete Weltbild vorerst.
2017 wurden die restlichen Anteile übernommen. Die Kirche war einen Verlustbringer und ein moralisches Problem los. Am 10. Juni 2024 mußte Weltbild erneut Insolvenz anmelden: „Eine dauerhafte und nachhaltige Betriebsfortführung ist ohne frisches Kapital aufgrund der andauernden Verlustsituation nicht möglich“, erklärte Insolvenzverwalter Christian Plail. Zwei Jahre zuvor, als Weltbild seine neugebaute Zentrale im Augsburger Süden bezog, klang das noch anders: Man sei zu einem „E‑Commerce-Anbieter geworden, der 90 Prozent des Umsatzes über seine Onlineaktivitäten erwirtschaftet“. Allerdings stand Weltbild damals schon im Händler-Ranking mit 130 Millionen Netto-E‑Umsatz nur auf Platz 88. Mitbewerber Thalia brachte es mit 309,1 Millionen auf Platz 40.
Was aus dem Waldprojekt in China und dem Wasserprojekt in Brasilien wird, die mit dem Erwerb von CO₂-Zertifikaten unterstützt wurden, ist unklar. Fest steht dagegen, daß die 440 von der Buchhandels-Insolvenz betroffenen Mitarbeiter im September ihre Kündigung erhalten. Und Käufer von E‑Books und Hörbüchern müssen diese bis 31. August auf ihren PC umständlich herunterladen und sichern, denn die Weltbild-Cloud für den Tolino-Webreader wird abgeschaltet. Buch-, CD- und Blu-ray-Käufer haben solche Sorgen nicht.
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