© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/24 / 23. August 2024

CD-Kritik: Boris Tischtschenko, Quatuor Tchalik
Mit Familie
Jens Knorr

Das Quatuor Tchalik hat für sich und den westeuropäischen Hörer die Kammermusik des russisch-sowjetischen Komponisten Boris Tischtschenko (1939–2010) entdeckt und dessen erstes und fünftes Streichquartett (1957 und 1984) sowie das Klavierquintett (1985) eingespielt. 

Der Leningrader Tischtschenko hat in seiner Heimatstadt studiert und war von 1962 bis 1965 Aspirant bei Dmitri Schostakowitsch. Danach lehrte er selbst am Leningrader Konservatorium, zunächst theoretische Fächer, ab 1974 Komposition. Im Jahre 1986 wurde er zum Professor ernannt. Immerhin liegt die Komposition der beiden Quartette ein Vierteljahrhundert auseinander. Herrscht in dem ersten des achtzehnjährigen Studenten bei aller suchenden Bewegung der Respekt vor dem Vorbild und die Respektierung der Grenzen des in der Zeit des Tauwetters kompositorisch Sagbaren, so wirkt das zweite, ein Gang auch durch die Geschichte der Gattung, weltläufiger eingestellt und freundlicher gestimmt. In seiner Kammermusik bleibt der Symphoniker immer Erzähler des Widerstands in den eigenen vier Wänden.

Nach dem sagenhaften Vogel des russischen Volksglaubens Alkonost ist das unabhängige Label des Quatuor Tchalik benannt, das sich aus den Geschwistern Louise, Daniel, Sarah und Marc einer russisch-französischen Familie zusammensetzt, der Pianist des Klavierquintetts ist Bruder Dania. Die gleichgestimmte Familienbande liefert gleichsam häusliche, gleichwohl gültige Interpretationen vom Heim in die Welt – und ein durchdacht konzipiertes Beiheft.


Boris Tischtschenko Kammermusik, Alkonost Classic 2023 www.quatuortchalik.com https://alkonostclassic.com