In wenigen Tagen, Anfang September, starten Theater und Opernhäuser in die Spielzeit 2024/25. Eine erste Sichtung der Vorschauen von Deutscher Oper und Staatsoper Unter den Linden läßt mich einige Merkposten einrichten, die es im Blick zu behalten gilt. Das Haus an der Bismarckstraße wartet unter anderem mit Premieren von Ottorino Respighis „La fiamma“, Verdis „Macbeth“ und Richard Strauss’ „Die Frau ohne Schatten“ auf. An der Staatsoper kommt es neben anderen zu Erstinszenierungen von Verdis „Nabucco“ mit Anna Netrebko in der Rolle der Tochter Abigaille, „Roméo et Juliette“ von Charles Gounod, Bellinis „Norma“ an den Festtagen im April und zu Strauss’ „Die schweigsame Frau“. Am Berliner Ensemble inszeniert Theaterschreck Frank Castorf Hans Falladas „Kleiner Mann – was nun?“
„Kunst wäscht den Staub des Alltags von der Seele.“ (Pablo Picasso)
Als Heranwachsender
konnte ich mich für
Jörg Fausers Schreibe
schwer begeistern.
„Die Kunst ist zwar nicht das Brot, wohl aber der Wein des Lebens.“ (Jean Paul)
Benachrichtigung auf dem Smartphone: „Letzte Woche betrug deine Bildschirmzeit durchschnittlich 5 Stunden und 6 Minuten pro Tag auf diesem Gerät.“ Bleibt die Frage, wieviel davon Lebensqualitätszugewinn und wieviel Lebensqualitätsverlust ist.
Im Juli wäre der Schriftsteller und Journalist Jörg Fauser achtzig Jahre alt geworden, wenn er nicht 1987 in der Nacht nach seinem 43. Geburtstag offenbar stark angetrunken beim Überqueren einer Münchner Autobahn tödlich von einem Lkw erfaßt worden wäre. Auf ihn aufmerksam geworden bin ich im Herbst 1977 – ich steuerte auf mein 14. Wiegenfest zu – durch ein Interview von ihm im Playboy mit dem US-Autor Charles Bukowski, den ich damals schon über alle Maßen schätzte. Als Heranwachsender konnte ich mich für Fausers Schreibe – er galt als „der deutsche Bukowski“ – schwer begeistern, vor allem dann auch für seine Romane „Der Schneemann“ (1981), „Rohstoff“ (1984) und „Das Schlangenmaul“ (1985), in denen er seine Drogenerfahrungen verarbeitete. Zu seinem Achtzigsten jetzt ist eine überarbeitete und stark erweiterte Neuausgabe seiner Biographie als Teil einer neuen Gesamtausgabe bei Diogenes erschienen. Die Journalisten Ambros Waibel und Matthias Penzel haben dafür noch einmal mit Zeitzeugen, Freunden und Weggefährten gesprochen, Archive durchwühlt und neue Dokumente entdeckt. Im Vorspruch dazu heißt es entlehnt aus Fausers Marlon-Brando-Biographie „Der versilberte Rebell“ (1978), von dem er inspiriert wurde: „In einer Welt, in der es von Revolutionären nur so wimmelt, ist der Rebell der Mann von gestern, der Konservative.“
Matthias Penzel/Ambros Waibel: Jörg Fauser. Rebell im Cola-Hinterland. Die Biografie. Diogenes Verlag, Zürich 2024, gebunden, 640 Seiten, 32 Euro