© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/24 / 23. August 2024

Linke Tech-Infrastruktur
Pro-EU: Die Medienplattform Display Europe will eine europäische Öffentlichkeit schaffen
Christian Schreiber

Es gibt immer mehr Ansätze, die Errungenschaften und vermeintlichen Vorteile der Europäischen Union den zunehmend skeptischeren Bürgern näherzubringen. Diese „Werbemaßnahmen“ kosten Geld, das zunehmend von öffentlichen Stellen zur Verfügung gestellt wird. Und so läßt sich ein neues Projekt auch entsprechend einordnen. Mehr als dreißig Jahre nach Gründung der EU sei eine wirkliche europäische Öffentlichkeit nicht erkennbar, „DisplayEurope.eu will hier Abhilfe schaffen und zugleich zeigen, wie eine dezentrale mediale Informationsversorgung aussehen kann“, schreiben die Betreiber des Portals, das Anfang Juli in neuer, veränderter und deutlich professioneller Form ans Netz gegangen ist. 

Initiator der Seite ist die Europäische Kulturstiftung, Hauptverantwortlicher ist das in Wien gegründete Cultural Broadcasting Archive (CBA), und kofinanziert wird das Ganze aus Mitteln der EU. Von Juli 2023 bis Juni 2024 erhielt Display Europe in einer ersten Förderrunde insgesamt 2,5 Millionen Euro. An Sendungsbewußtsein mangelt es dem Redaktionsteam folglich nicht: „Diese bahnbrechende Medienplattform bietet eine europäische Perspektive durch originelle und föderierte Inhalte, die von unabhängigen Medien aus dem ganzen Kontinent bereitgestellt werden.“ Display Europe werde die europäische Medienlandschaft revolutionieren und „zu unserer Mission beitragen, den europäischen öffentlichen Raum zu stärken“. 

Artikel können in 15 Sprachen übersetzt werden

Zum einen handelt es sich um ein journalistisches Portal, darüber hinaus aber ebenso um eine technische Infrastruktur, bei der auch künstliche Intelligenz zum Einsatz kommt. Die Inhalte kommen dabei von Medienpartnern aus dem EU-Raum. Dabei handelt es sich um eigenfinanzierte Beiträge, die allerdings wiederum zum Teil von NGOs oder nationalen staatlichen Stellen gefördert werden. Als Premiumprodukt wird hierbei die Sendung „Standard Time“ angepriesen, eine wöchentliche Talkshow von Réka Kinga Papp, Chefredakteurin der Eurozine-Plattform für europäische Kulturzeitschriften. Weitere Formate stammen von dem Netzwerk Krytyka Polityczna aus Polen und dem mehrsprachigen Online-Medium Voxeurop, das Presseschauen beisteuert, pro-europäische natürlich. 

Um die Hintergründe des neuen Portals zu verstehen, lohnt sich dabei der Blick nach Polen. Politikwissenschaftler beschreiben Krytyka Polityczna aus Warschau als das größte osteuropäische linksliberale Institutionen- und Aktivistennetzwerk. Es setze sich – 2002 als Zeitschrift gestartet –mit Hilfe von Publikationen, zahlreichen Veranstaltungen und einem Forschungszentrum für die europäische Idee und einen progressiven sozialen Wandel ein. In den vergangenen Jahren wurden in ganz Polen, aber auch in London und Kiew mehrere Standorte eröffnet.

Dementsprechend ging es bereits in den ersten Tagen nach dem Start von Display Europe richtig zur Sache. „Tschechische Republik: Der Rechtsruck von Andrej Babiš, einem Politiker ohne Meinung“ heißt eine Überschrift auf der Hauptseite. Bislang war Tschechiens Ex-Premier im Lager der europäischen Liberalen, nun hat er sich der neugründeten Rechtsfraktion um FPÖ und Rassemblement National angeschlossen. Für die „Pro-Europäer“ ist das natürlich nicht hinnehmbar. Ausführlich wird auf zurückliegende Strafverfahren des Tschechen eingegangen, der frühere Regierungschef als Mann ohne Werte dargestellt. 

Und so läßt sich die Liste der ersten Publikationen munter fortsetzen. „Polen nach den Europawahlen: Demokraten gewinnen, aber demokratische Werte verlieren“ heißt ein weiterer Artikel. Und natürlich wird der Sieg der französischen und englischen Linken gefeiert. Allerdings habe zumindest der in Frankreich einen „bitteren Beigeschmack“, sei die Regierungsbildung aufgrund der starken Rechten doch so schwierig. 

Das Portal beschäftigt sich aber nicht nur mit Themen innerhalb der EU. Auch die bange Frage, ob man in der Ukraine Urlaub machen kann, wird gestellt. „Ursprünglich waren wir sehr gegen Reisen in die besetzten Gebiete. Das lag daran, daß es für die Einheimischen eine traumatische Erfahrung war. Aber heute sehen wir einen Wandel. Die Menschen sind bereit, der Welt vom Heldentum der Ukrainer und von den Verbrechen der Russen zu erzählen“, wirbt CNN-Journalistin Mariana Oleskiw regelrecht um mutige Reisende. Und natürlich: In Zeiten des „Green Deals“ dürfen regelmäßige Artikel zum Klimawandel nicht fehlen. 

Aus ganz Europa werden Texte publiziert, die in 15 Sprachen übersetzt werden können. Tenor: Die EU müsse noch viel mehr tun, um die Welt zu retten. Versteht sich von selbst, daß sich die Macher von Display Europe an vorderster Front sehen – auch bei der Etablierung neuer Techniken. In einer zweiten Phase soll das Übersetzungs- und Vorschlagssystem mit Hilfe von KI verbessert und automatisiert werden.