© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/24 / 23. August 2024

Schlaglichter auf das Personal des NS-Auslandsrundfunks
Lord und Lady Haw-Haw

In den Londoner National Archives von Kew Gardens befindet sich ein umfassender Bestand des britischen Inlandsgeheimdienstes Security Service (MI5). Darunter auch Personalakten der „radio traitors“, britischer Staatsbürger, die ab 1939 in den Dienst der Reichs-Rundfunk-Gesellschaft (RGG) und deren Fremdsprachenprogrammen stellten. Gegen sie wurde nach 1945 Anklage wegen Hochverrat erhoben. Nur einer jedoch, William Joyce („Lord Haw-Haw“), als Chefsprecher und Galionsfigur des englischsprachigen Programms des deutschen Auslandsrundfunks der prominenteste der „Rundfunkverräter“, endete am Galgen. Wie die Akten erzählen, wollten einige der rekrutierten Mitarbeiter der Ödnis deutscher Internierungslager entkommen oder wechselten aus materiellen Motiven die Fronten (Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, 4/2024). Nur eine Minderheit von Überzeugungstätern, wie der in Irland aufgewachsene Joyce und seine ebenfalls für die RGG tätige Frau Margaret („Lady Haw-Haw“), wurde „antibritisch“ sozialisiert, wenn auch nicht so nachhaltig wie das Ehepaar Joyce, das in den 1930ern in der National Socialist League aktiv war. Solche biographischen Skizzen werfen indes nur Schlaglichter auf die Organisation des NS-Auslandsrundfunks, eine systematische Analyse der Aktenbestände stehe noch aus. (dg)