Wegen des Risikos, daß sich die Affenpocken (Mpox) erneut global ausbreiten könnten, sowie wegen einer neuen, möglicherweise aggressiveren Virusvariante hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) am 14. August ihre höchste Alarmstufe aktiviert: die „Gesundheitliche Notlage internationaler Reichweite“ (PHEIC). Das Mpox-Virus breitet sich zur Zeit vor allem in Schwarzafrika aus. Der erste europäische Fall, ein in Schweden lebender Mann, der kürzlich die Demokratische Republik Kongo (Zaïre) besuchte, wurde einen Tag später von der Behörde für öffentliche Gesundheit in Schweden (Fohm) gemeldet.
Das 2016 gegründete Seuchenkontrollzentrum (Africa CDC) in Addis Abeba sammelt aktuelle Daten über das regionale Infektionsgeschehen. Demnach wurden seit Jahresanfang in 13 Mitgliedstaaten der Afrikanischen Union (AU) insgesamt 17.541 Fälle (2.822 bestätigte und 14.719 Verdachtsfälle) und 517 Todesfälle gemeldet. Diese Woche meldeten drei weitere der 54 Länder Afrikas Mpox-Fälle, die zur Bestätigung untersucht werden. „Ich bin zutiefst besorgt über die rasche Ausbreitung, erklärte Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa vorigen Samstag. Alarmierend sei, daß die Zahl der gemeldeten Fälle im Vergleich zum gleichen Vorjahreszeitraum um 160 Prozent angestiegen ist. Die Dunkelziffer liegt womöglich deutlich höher.
In West- und Zentralafrika gab es regelmäßig sporadische Epidemien
Der ANC-Chef begrüßte die Freigabe von 10,4 Millionen Dollar aus dem Covid-19-Fonds zur Unterstützung der Mpox-Bekämpfung. Gleichzeitig appellierte Ramaphosa aber an die WHO, diese PHEIC müsse „anders sein und die ungerechte Behandlung des vorherigen, der 2022 ausgerufen wurde, korrigieren, bei dem die Mpox-Impfstoffe und ‑Therapeutika vor allem für westliche Länder entwickelt und zur Verfügung gestellt wurden, während Afrika kaum Unterstützung erhielt“. Vor zwei Jahren traten Affenpockenfälle auch in städtischen Regionen Westeuropas und Nordamerikas auf, wobei die Patienten nicht aus den Endemie-Gebieten kamen, und offenbar spielten freizügige sexuelle Kontakte bei der Ansteckung eine Rolle.
Ausbruchsuntersuchungen in Madrid und Berlin konnten eine Gay-Pride-Veranstaltung auf Gran Canaria als Ausbreitungsort identifizieren. In Deutschland wurden später mehr als 3.600 Fälle gezählt. Die Zahl der Neuerkrankungen stabilisierte sich auf diesem Niveau und der Ausbruch wurde in Europa sehr schnell eingedämmt. Aufgrund der deutlich rückläufigen Infektionszahlen wurde die PHEIC wieder aufgehoben. Im Kongo kam es 2023 zu einem erneuten Mpox-Ausbruch. Die neue Variante Klade Ib des Virus gilt als ansteckender und ist mit schwereren Symptomen verbunden.
Die Erkrankung wurde erstmals 1958 bei Laboraffen (Langschwanzmakaken) mit pockenähnlichen Symptomen beobachtet, daher der Name Affenpocken. Seit der Ausrottung der deutlich tödlicheren, echten Pocken (Variola major) in den siebziger Jahren beobachtete man in West- und Zentralafrika regelmäßig sporadische Epidemien dieser Zoonose, welche immer wieder von den afrikanischen Staaten eingedämmt werden konnten. Das Affenpockenvirus (Orthopoxvirus monkeypox/MPXV) tritt in zwei genetisch unterschiedlichen Formen, genannt Klade I (Kongobecken-Klade) und Klade II (Westafrika-Klade), auf.
Außerhalb Afrikas gab es 2003 in den USA über 70 Fälle von Affenpocken. Das Virus wurde von einem Importeur für exotische Tiere aus Ghana eingeschleppt. Präriehunde hatten sich bei afrikanischen Riesenhamsterratten infiziert und dann wiederum Menschen angesteckt. Das natürliche Erregerreservoir bilden Nagetiere in West- und Zentralafrika; Affen sind „Fehlwirte“. Die Infektion des Menschen wird durch Bisse dieser Tiere ausgelöst, durch Kontakt mit Sekreten, als Tröpfcheninfektion oder durch Verzehr von Affenfleisch (Bushmeat). Die Übertragung von Mensch zu Mensch kann durch Körpersekrete erfolgen, etwa im Rahmen (homo‑)sexueller Handlungen. Auch beim Sprechen ausgestoßene Partikel sowie bei Kontakt mit den Hautveränderungen oder mit Gegenständen, welche MPXV-kontaminiert sind, kann eine Übertragung stattfinden.
Gefahren für Schwangere, Kinder, Ältere und Immungeschwächte
Patienten sind während der Inkubationszeit (bis zu 14 Tage) nicht infektiös – im Gegensatz zum nächsten Stadium mit Hautveränderungen, deren Sekrete hohe Mengen des Affenpockenvirus enthalten. Die ersten Symptome sind Fieber, Schmerzen und geschwollene Lymphknoten mit darauffolgend Hautveränderungen vor allem im Gesicht, den Handflächen und Fußsohlen. Die Symptome halten in der Regel zwei bis vier Wochen an und können auch ohne Behandlung abheilen. Risikogruppen für einen schweren Verlauf sind Schwangere, Neugeborene, Kinder, alte Menschen und Personen mit einer Schwäche des Immunsystems. Verhaltensänderungen wie der Verzicht auf engen Körperkontakt trugen bei den Ausbrüchen 2022 maßgeblich zum Erfolg bei der Bekämpfung dieser Seuche bei.
Vermutlich ist die Mpox-Ausbreitung vor allem dem nachlassenden Pockenimpfschutz geschuldet. Dieser gewährt einen gewissen Schutz mittels der Kreuzreaktivität der Antikörper, die nach einer klassischen Pockenimpfung gebildet werden. Diese Pflichtimpfung endete in Westdeutschland 1976, in Österreich 1981. In der DDR, wo auch Impfungen gegen Kinderlähmung, Diphterie, Keuchhusten, Masern, Tetanus und Tuberkulose Pflicht waren, wurde 1982 zum letzten Mal gegen Pocken geimpft. Die WHO erklärte das Pockenvirus 1979 offiziell für ausgerottet.
Für Patienten mit schweren Verläufen sowie solchen mit Immunschwäche ist seit 2022 das Medikament Tecovirimat zugelassen und mit dem Pockenimpfstoff Imvanex ein Impfschutz verfügbar. Dieser Lebendimpfstoff mit dem abgeschwächten Modified-Vaccinia-Ankara-Virus wird von der dänisch-deutschen Firma Bavarian Nordic vertrieben. Nach einer Impfdosis liegt der Schutz bei etwa 60 Prozent, wobei Impfdurchbrüche deutlich mildere Symptomatiken im Vergleich zu Ungeimpften aufweisen. Da der Impfstoff ab 18 Jahren zugelassen ist, kann dieser sexuell aktiven Menschen mit wechselnden Geschlechtspartnern nahelegt werden.
www.folkhalsomyndigheten.se/the-public-health-agency-of-sweden/communicable-disease-control
www.rki.de/mpox-flyer
Warum heißen die Affenpocken seit 2022 „Mpox“?
Der 1976 in Deutschland eingeführte Schokoriegel „Raider“ heißt seit 1991 „Twix“, das Auswärtige Amt nennt Kiew seit Februar „Kyjiw“ und der 20. Internationale Botanische Kongreß (IBC) stimmte im Juli in Madrid mehrheitlich dafür, fast 300 Pflanzen-, Pilz- und Algennamen zu ändern: Das darin enthaltene Wort „caffra“ wird durch „affra“ ersetzt. Und basierend auf ihren 2015 veröffentlichten Namensrichtlinien (HSE/FOS/15.1) beschloß die WHO 2022 eine Umbenennung der seit 1970 offiziell so genannten Affenpocken (Monkeypox) in „Mpox“. Auch Viren sowie Virusvarianten sollten so benannt werden, daß „kulturelle, soziale, nationale, regionale, berufliche oder ethnische Gruppen“ nicht beleidigt und „negative Auswirkungen auf Handel, Reisen, Tourismus und das Tierwohl“ minimiert werden. Das Internationale Komitee für die Taxonomie von Viren (ICTV) benannte den Erreger daher 2023 von „Monkeypox virus“ in „Orthopoxvirus monkeypox“ um. In Deutschland besteht für die Affenpocken aber weiterhin Anzeigepflicht nach dem Tiergesundheitsgesetz. (jsc)
www.who.int/health-topics/monkeypox