© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 35/24 / 23. August 2024

Der Flaneur
Hola und Merhaba
Paul Meilitz

Dank einer großflächigen Werbetafel an einer Bushaltestelle ist es nicht zu übersehen: Mit „Hola, Ni Hao, Merhaba, NuqneH, Ciao und Konnichiwa“ untertitelt, garniert mit drei im Hintergrund des Schriftbandes vor Glückseligkeit strahlenden jungen Frauen unterschiedlicher Ethnien, wirbt ein großer deutscher Verkehrsbetrieb für „Vielfalt im Job“. 

Was die jungen Frauen in dem vielfältigen Job zu tun bekämen, bleibt der Phantasie überlassen. Als Buslenker(in) oder im Cockpit einer U-Bahn kann ich mir keine der drei Protagonistinnen so recht vorstellen, auch in dem Wissen, daß es sich um auf Äußerlichkeiten getrimmte Werbemodelle handelt. 

Der Praxistest für Vielfalt im öffentlichen Nahverkehr läßt nicht lange auf sich warten, als drei Jungs einsteigen.

Ein Praxistest der umworbenen Vielfalt läßt nicht lange auf sich warten. Drei Jugendliche mit dunklem Teint aus der nahen Gemeinschaftsschule haben lärmend eine Sitzreihe vor mir belegt und reiben sofort ihre Köpfe an der Seitenscheibe. Ihr gemeinsames Anliegen bündelt sich in energischem Klopfen und infantilen Grimassen, um das Interesse einer an der Haltestelle verbliebenen jungen Frau – mit hellerem Teint – zu erringen. 

Vergebliches Bemühen. Die grobschlächtig Umworbene bleibt unbeeindruckt, was die offenbar ihrer Testosteronschübe nicht Herr werdenden Jungmänner zu verbalen Ausfällen gegenüber dem anderen Geschlecht veranlaßt. Auch nachdem sich der Bus in Bewegung gesetzt hat, behalten die geschätzt 14jährigen ihre gereizten Tonlagen bei, verfallen nun aber in Kakophonie, um letztendlich in einer mir zwar lautmalerisch vertrauten, jedoch inhaltlich unverständlichen Sprache ihrer Erregtheit weiter Raum zu geben. 

Gestik, Mimik und Phonetik lassen keinen Zweifel aufkommen, daß die soeben erlebte Abfuhr in den Macho-Hirnen noch nicht verarbeitet ist. Nur kurz erwog ich, mich von den pubertierenden Pöblern mit „Merhaba“ oder „Konnichiwa“ zu verabschieden. Außer bei „Ciao“ war ich mir allerdings nicht sicher, was mir dann geblüht hätte. Eine falsche Akzentuierung nebst direktem Blickkontakt hätte mich unter Umständen ans Messer geliefert. Oder ich buche einen Arabischkurs an der Volkshochschule, um endlich hierzulande mitreden zu können.


Verbringe nicht die Zeit mit dem Suchen des Hindernisses, vielleicht ist keines da.

Franz Kafka (1883–1924)