Feind, Todfeind, Parteifreund lautet eine bekannte Steigerung in Sachen Antipathie. Was nach abgedroschenem Klischee klingt, ist bei der SPD im östlichen Niedersachsen offenbar Realität. So verhärtet sollen dort die Fronten im internen Zwist sein, daß die Partei Beobachtern zufolge „handlungsunfähig“ ist und bereits eine Schlichtungskommission eingesetzt hat.
Konkret geht es um den Unterbezirk Braunschweig, eine Art Kreisverband. Der Braunschweiger Zeitung zufolge soll auf der einen Seite unter anderem der Oberbürgermeister der Stadt, Thorsten Kornblum, stehen, auf der gegnerischen der örtliche Bundestagsabgeordnete Christos Pantazis. Der ist zudem Vorsitzender eben jenes Unterbezirks, Kornblum wiederum führt den SPD-Bezirk Braunschweig, also die nächsthöhere Ebene an. Das offenbar über die Interna der Genossen bestens informierte Lokalblatt weiß von einem „haßerfüllten Klima“, gar einer „regelrechten Eskalation“ zu berichten, man werfe sich gegenseitig „Nötigung“, „Mobbing“ und „Erpressung“ vor.
Worüber sich die sozialdemokratischen Alphatierchen so sehr zerstritten haben? Nun, da ist zum einen eine Petitesse. Pantazis, im Zivilberuf Arzt und 2021 erstmals in den Bundestag per Direktmandar eingezogen, hatte via Pressemitteilung und soziale Medien bereits seine erneute Kandidatur für das Parlament in Berlin angekündigt – ohne die obligatorische Abstimmung im Vorstand des Unterbezirks abzuwarten. Die wäre wohl eine reine Formalie gewesen, denn einen Gegenkandidaten gebe es ohnehin nicht und mit seiner Arbeit als MdB sei die Partei durchaus zufrieden. Doch wegen seines unabgesprochenen Vorpreschens sei Pantazis als Chef des Unterbezirks wohl nicht mehr haltbar, zitierte die Zeitung ein namentlich nicht genanntes Mitglied.
Der mutmaßlich entscheidendere und die Eskalation auslösende Zankapfel war eine andere Personalie. Der Bundestagsabgeordnete und Unterbezirkschef hatte einer Mitarbeiterin gekündigt, die in Teilzeit mehrere Jobs bestritt: Außer für Pantazis’ Wahlkreisbüro arbeite sie dem Pressebericht zufolge auch für zwei seiner regionalen Abgeordnetenkollegen, nämlich Dunja Kreiser (Salzgitter/ Wolfenbüttel) und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, SPD-Abgeordneter aus Peine. Bezahlt werde die Mitarbeiterin anteilig von den dafür vorgesehenen (Steuer-)Mitteln der drei MdB. Außerdem sei die Angestellte auch für den SPD-Bezirk, dem Braunschweigs OB Kornblum vorsteht, tätig. Und das im Alltag offenbar schwerpunktmäßig, was einer der Gründe für die Kündigung gewesen sei. Die ganze Sache ist rechtlich durchaus heikel – und dürfte auch die Bundestagsverwaltung interessieren. Denn Tätigkeiten, die der Partei und nicht der parlamentarischen Arbeit dienen, dürfen nicht aus den Mitarbeiterpauschalen der Abgeordneten finanziert werden.
Fest steht, daß einige im Unterbezirk offenbar gar nicht mehr miteinander können. Für die Schlichter bleibt also noch einiges zu tun. Bis Mitte September wollen sie den Streit ausräumen. Daran dürften beide Seiten ein Interesse haben, ist die industriell – gerade von Volkswagen – geprägte Region im Osten des Bundeslandes doch eine Wahlhochburg der Roten; eine der letzten, die ihnen noch blieb.