© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/24 / 30. August 2024

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Der Bund baut – auf, nicht ab
Paul Rosen

Wenn es eines aktuellen Beweises für die These des englischen Historikers Cyril Northcote Parkinson von der ewig wachsenden Verwaltung bedarf, dann kann dazu die Verwaltung des Deutschen Bundestages dienen. Seit längerem beschlossen und vom Bundesverfassungsgericht bestätigt ist eine Verkleinerung des Parlaments nach der Wahl im Herbst nächsten Jahres von derzeit 736 auf 630 Abgeordnete. Die Verkleinerung hat jedoch keine Folgen für die Verwaltung, die zu Bonner Zeiten rund 2.000 Beschäftigte hatte. 

Derzeit zählt sie 2.990 Stellen, und das soll nach dem Haushaltsentwurf von Finanzminister Christian Lindner (FDP) auch im Jahr 2025 so bleiben, obwohl man längst zur Verkleinerung hätte ansetzen können. Doch geschieht auf Bundesebene insgesamt das Gegenteil: Seit Beginn der Ampel-Koalition wuchs die Zahl der Stellen in der Bundesregierung um rund 11.500 – ein Zuwachs von 6,3 Prozent.

Wer sich mit den Bauvorhaben des Bundestages und der Regierung befaßt, kommt unweigerlich zu dem Schluß, daß die Bürger von noch nicht genügend Staatsdienern betreut werden. Trotz der beschlossenen Verkleinerung des Parlaments errichtet die Bundestagsverwaltung einen Neubau in der Schadowstraße in unmittelbarer Nähe zum Brandenburger Tor. 11.400 Quadratmeter Nutzfläche sind hier vorgesehen. In Planung ist außerdem der „Luisenblock Ost“. Auf der Internetseite des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung heißt es dazu, geplant seien Büroflächen für Abgeordnete und die Bundestagsverwaltung sowie Ausschußsitzungssäle und eine gastronomische Einrichtung. Für die Anbindung der Neubauten an das Unterirdische Erschließungssystem des Deutschen Bundestages (UES) muß sogar eine Straße untertunnelt werden.  

Die Untertunnelung macht Aktentransporte innerhalb des Sicherheitsbereiches möglich. Zwar redet alle Welt von Digitalisierung, aber Aktenkarren gehören wie zu Kaisers Zeiten zum Erscheinungsbild im Bundestag und in Ministerien. Angesichts der Tatsache, daß im Bundestag eine übergroße Mehrheit die Verkehrswende predigt und für das Radfahren plädiert, wirkt der Bau einer großen Tiefgarage unter dem „Luisenblock Ost“ befremdlich. Und auf Ausschußsäle kann verzichtet werden, wenn das eine oder andere Ministerium aufgelöst werden würde. Doch die werden statt dessen weiter aufgebläht. 

Der Erweiterungsbau des Umweltministeriums fällt so groß aus, daß dort auch Büros des Berliner Abgeordnetenhauses untergebracht werden sollen. Die Kosten steigen von 240 auf 402 Millionen Euro. Dabei stehen in Berlin sogar in bester Lage ganze Etagen leer, wo Ministerien bei Bedarf Büros mieten könnten. Auch der überflüssige Erweiterungsbau des Kanzleramts ist bisher nicht gestoppt worden. Dessen Kosten stiegen um 152 auf 637 Millionen Euro. Mit weiteren 150 Millionen Euro Kostensteigerung ist zu rechnen. Der Volksmund weiß schon lange: Der Fisch beginnt immer vom Kopf her zu stinken.