Zwei Monate nach der Parlamentswahl ist die Amtszeit von Rishi Sunak bereits Geschichte. Die Konservativen, die sich so lange als „natürliche Regierungspartei“ gesehen hatten, sind jetzt nicht nur eine Oppositionspartei, sondern fast bedeutungslos. Sie haben nur 121 Sitze und sind daher gegenüber den 411 Abgeordneten der Labour-Partei und den 72 Abgeordneten der linksgerichteten Liberaldemokraten vollkommen unterlegen. Der Wahlkampf um den Parteivorsitz mit sechs Kandidaten ist daher eine unauffällige Angelegenheit, bei der die erschöpften Aktivisten versuchen, sich zu sammeln, was von den Medien meist ignoriert oder ins Lächerliche gezogen wird.
Ein weiterer erschwerender Faktor ist die Anwesenheit von fünf Abgeordneten der Reformpartei von Nigel Farage, deren geringe Zahl an Abgeordneten durch ihre Unterstützung in der Bevölkerung (14,3 Prozent der Stimmen) und die Medienpräsenz von Farage als führender Einwanderungsskeptiker mehr als ausgeglichen wird.
Die Kandidaten für den Vorsitz der Tories zeichnen sich vielleicht am meisten durch ihre ethnische Vielfalt aus.
Alle sechs Kandidaten für den Tory-Vorsitz wurden wiederholt zu Farage befragt – eine Gratwanderung zwischen der Notwendigkeit, die Parteibasis zufriedenzustellen, und dem Widerwillen, einen gefährlich charismatischen Politiker zu unterstützen, der sich leicht wieder den Tories anschließen und gar versuchen könnte, sie zu führen.
Die Kandidaten zeichnen sich vielleicht am meisten durch ihre ethnische Vielfalt aus: Kemi Badenoch (schwarz), James Cleverly (schwarz) und Priti Patel (asiatisch) sowie drei weiße Männer, Robert Jenrick, Mel Stride und Tom Tugendhat. Diese sechs werden bis zum 4. September auf vier Kandidaten reduziert. Und am 2. November soll die endgültige Entscheidung fallen, wer die Tories führt. Drei von ihnen gelten als „gemäßigt“. Der frühere Innenminister Cleverly, ein erfahrener und medienwirksamer Mann, der sich für „scherzhafte“ Bemerkungen, wie, er habe seiner Frau eine Vergewaltigungsdroge ins Getränk gemischt, entschuldigen muß. Stride war ein äußerst fähiger Arbeitsminister, dem es aber an Charisma mangelt. Der Ex-Sicherheitsminister Tugendhat verdiente sich Respekt für seinen Widerstand gegen China, ist aber möglicherweise zu „links“, wenn es um Fragen wie den Austritt aus der EU-Menschenrechtskonvention geht.
Die anderen sind in gewisser Weise „rechts“ – Ex-Wirtschaftsministerin Badenoch, die für ihren entschiedenen Widerstand gegen die „Trans“-Ideologie bekannt ist, und deren ethnische Identität für eine Partei nützlich sein könnte, die oft unter dem Verdacht des „Rassismus“ steht. Dasselbe gilt für die ehemalige Innenministerin Patel, die sich für eine stärkere Einbeziehung der Basis in die Führung einsetzt. Schließlich der ehemalige Einwanderungsminister Jenrick, der wegen des Ruanda-Plans zurücktrat und sich seither mutig zur Einwanderung äußert.