© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/24 / 30. August 2024

Bundesbank und Sozialverbände fordern den Erhalt von Bargeld
Mehr als ein Notgroschen
Dirk Meyer

Die Bundesbank (BBk) steht zwischen Baum und Borke. Einerseits unterliegt sie als Notenbank einem nationalen Rechtfertigungsdruck: wegen der EZB-Anleihekäufe, den daraus entstehenden Verlusten in ihrer Bilanz, der zögerlichen Reaktion auf den Inflationsschub und den Bargeldbeschränkungen. Dazu zählen die Abschaffung der 500-Euro-Note, das Verbot von Barzahlungen über 10.000 Euro und die Erfassung von Käuferdaten ab 3.000 Euro. Andererseits ist die BBk im EZB-Rat – trotz 26,6 Prozent Kapitalanteil – in einer Minderheitsposition.

Von daher strebt die BBk eine gesellschaftliche Vernetzung an. Vor der Euro-Einführung wären öffentliche Dialoge mit Interessengruppen völlig undenkbar gewesen. Drücken sie doch eine Abkehr von ihrer gebotenen Unabhängigkeitsposition aus (Art. 88 Grundgesetz). Hiernach soll sie vorrangig die Preisstabilität und Zahlungsmittelfunktion gewährleisten. Anders die aktuelle BBk-Umfrage zum digitalen Euro im Juni, nach der für die Hälfte der Befragten elektronisches Geld grundsätzlich als zusätzliche Bezahloption vorstellbar wäre. Zudem berichtete die BBk über drei Workshops „mit 27 Verbänden und Organisationen aus der Breite der Gesellschaft“. Beteiligt waren Handwerksverbände, die Schausteller und Marktkaufleute, Behindertenvertreter sowie diverse Digital-, Sozial- und Verbraucherverbände. Danach besteht ein erster wesentlicher Konsens im Erhalt des Bargeldes.

Sein besonderer Wert wird als quasi-demokratisches Zahlungsmittel gesehen. Seine Verwendung ist voraussetzungslos. Kein Vertrag, keine technischen Erfordernisse, keine besonderen Kompetenzen sind notwendig. Es gewährt Anonymität, Teilhabe von Personen ohne Konto und fördert die Stabilität im Krisenfall. Bei Stromausfall, Cyberangriffen, Softwarestörungen oder als „Notgroschen“ ist Bargeld resilient und jederzeit einsatzfähig. Zwar betont die BBk die Anonymisierung des geplanten digitalen Euro, doch kann diese grundsätzlich wieder aufgehoben oder womöglich von Dritten ausgehebelt werden. Bargeld ist geprägte Freiheit, hat das höchste Datenschutzniveau – und sollte deshalb in jedem Fall erhalten bleiben. Zugleich werden insbesondere seitens des Einzelhandels die Kosten der Bargeldverwendung hervorgehoben. Zudem wird von über drei Viertel der Befragten die Bequemlichkeit und der Komfort des digitalen Bezahlens genannt. Von daher sollte als zweites Ergebnis die Wahl des Zahlungsmittels generell der freien Entscheidung überlassen bleiben.

Zwar sind die Euro-Banknoten derzeit das einzige gesetzliche Zahlungsmittel im Euroraum (Art. 128 Abs. 1 AEUV) und als Zentralbankgeld im Gegensatz zum Kontoguthaben der Banken und Sparkassen ausfallsicher. Die Vertragsfreiheit gestattet jedoch, Barzahlungen auszuschließen. Um hier Sicherheit zu schaffen, könnte durch eine EU-Verordnung die Annahmepflicht gesetzlich vorgeschrieben werden und etwaige Höchstgrenzen allein auf eine Ausweispflicht beschränkt bleiben. Damit würde die Wahlfreiheit des Zahlungsmittels und berechtigten Geldwäsche-Vorkehrungen Rechnung getragen. Nebenbei: Die BBk plant erhebliche Investitionen in die Bargeld-Infrastruktur, indem sie zwar vier der 31 Filialen schließt, weitere vier in den Ballungsräumen Frankfurt, Hannover, Köln und Stuttgart aber an logistisch günstigeren Standorten neu baut und insgesamt ihre Bargeld-Geschäftsabläufe modernisieren will. Ein Abgesang sieht anders aus.