© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 36/24 / 30. August 2024

Ein unerbitterlicher Kampf
Geldverkehr: Razzia gegen Betreiber von Krypto-Automaten / Mehr staatliche Regulierung
Thorsten Polleit

Es ist wohl die Zeit der groß inszenierten Razzien. Nur so läßt sich erklären, daß die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) am 20. August ihren jüngsten Coup verkündet hat: Sie habe bundesweit 13 Automaten sichergestellt, mit denen Bitcoin und andere Kryptoeinheiten gekauft und verkauft werden können – allerdings ohne zuvor bei ihr eine Erlaubnis einzuholen. 60 Beamte der BaFin, unterstützt von Polizei und Deutscher Bundesbank und in Abstimmung mit dem Bundeskriminalamt (BKA) rückten daher an 35 Standorten aus und mühten sich redlich, so die BaFin, im öffentlichen Interesse tätig zu sein.

Die BaFin stuft den Wechsel von Euro in Bitcoin und umgekehrt als gewerbsmäßigen Eigenhandel beziehungsweise als Bankgeschäft ein. Nach Paragraph 32 des Kreditwesengesetzes (KWG) brauchen dabei die Bitcoin-Automatenaufsteller eine ausdrückliche Erlaubnis von seiten der BaFin. Illegal handelnde Betreiber werden von Polizei und Staatsanwaltschaft strafrechtlich verfolgt. Den Tätern drohen bis zu fünf Jahre Freiheitsentzug. Zudem wird das nicht angemeldete Bitcoin-Automatengeschäft der Geldwäsche bezichtigt, wenn jemand 1.000 Euro oder mehr in Bitcoin wechselt oder umgekehrt. Und ach ja: Die BaFin betont in ihrer Pressemitteilung, man wolle Verbraucher schützen, und Bitcoin und Kryptoeinheiten seien risikoreich, es drohe ihnen sogar der Totalverlust.

Staaten und ihre Zentralbanken wittern zu Recht Konkurrenz

Der Laie fragt sich vor diesem Hintergrund? Was soll eigentlich das ganze Spektakel? Wem dient es? Seitdem der Bitcoin 2009 auf der Weltbühne erschienen ist, hat er eine große Schar von enthusiastischen Fans gewonnen. Gleichzeitig hat er sich mindestens ebenso vehemente Feinde gemacht. Zu ihnen zählen insbesondere die Staaten, die Regierungen und ihre Zentralbanken. Sie alle sehen im Aufstieg des Bitcoin – und das steckt eigentlich dahinter – eine akute Bedrohung ihres Geldmonopols. Der Bitcoin ist de facto der Gegenentwurf zum heute überall vorzufindenden, staatlich beherrschten und inflationären Fiatgeld: Der Bitcoin ist dezentral organisiert, seine Menge ist definitiv begrenzt, er entzieht sich dem direkten Zugriff der Staaten.

Die Staaten und ihre Zentralbanken wittern zu Recht Konkurrenz: Der Bitcoin steht gewissermaßen für die Speerspitze einer Bewegung, die nach besserem Geld sucht. Also eines Geldes, das der Manipulation des Staates und der Sonderinteressengruppen, die sich seiner bedienen, entzogen ist; das nicht beliebig vermehrt und damit in seiner Kaufkraft herabgesetzt werden kann. Da ist es nicht verwunderlich, daß man die Verwendung des Bitcoin für das breite Publikum entmutigen, am liebsten wohl verhindern will. Die Finanzaufsicht, in Deutschland die BaFin, spielt dabei eine wichtige Rolle.

Jahrelang stufte die BaFin den Bitcoin als Rechnungseinheit im Sinne des KWG ein, also als eine nicht auf gesetzliche Zahlungsmittel lautende Werteinheit, die mit Devisen vergleichbar ist. Doch der 4. Strafsenat des Kammergerichts Berlin pfiff die BaFin im September 2018 mit dieser Einschätzung zurück: Der Bitcoin sei keine Recheneinheit, könne damit auch kein Finanzinstrument nach dem KWG sein, und der Handel mit Bitcoin sei daher auch nicht erlaubnispflichtig (Az.: (4) 161 Ss 28/18 (35/18)).

Die BaFin zeigte sich vom Berliner Urteil jedoch wenig beeindruckt. Seither definiert sie den Bitcoin als Kryptowert, den man als privates Tauschmittel nutzen oder zu Anlagezwecken verwenden kann. Diese umfassende Definition sorge dafür, meint die BaFin, daß der Bitcoin auch gleichzeitig als ein sonstiges Finanzinstrument eingestuft werden könne – und deshalb also unter die Fittiche staatlicher Überwachung und Maßregelung zu stellen sei. Handelt es sich da vielleicht um eine Kompetenzüberschreitung, die ungeahndet geblieben ist?

Bei der Bitcoin-Automaten-Razzia wurde Bargeld in Höhe von 250.000 Euro sichergestellt. Ein in jeder Hinsicht winziger, ja geradezu unbedeutender Betrag. Auch wenn etwa anderes suggeriert wird: Bitcoin-Automaten sind nicht das bevorzugte Vehikel von Geldwäschern. Doch wenn man die Motive von Staat, Zentralbank und Behörde kennt, dann versteht man auch den Grund für die öffentlichkeitswirksam veranstaltete Automaten-Razzia: Man will volle Kontrolle über die Einstiegsfenster in die Bitcoin-Welt haben. Die Bitcoin-Börsen unterliegen bereits der staatlichen Regulierung. Niemand, der hier aus Fiatwährungen in Bitcoin wechselt und umgekehrt, bleibt unerkannt.

Die Anbieter solcher Handels- und Verwahrdienste sind gesetzlich verpflichtet, Geldwäscheprävention zu betreiben, also die Identität der Kunden festzustellen („Know your customer“-Verfahren, KYC), beim Start der Geschäftsbeziehung und auch wenn Kunden Transaktionen von mehr als 1.000 Euro durchführen, bei denen nicht betreute Geldbörsen („unhosted wallets“) mit betreuten Geldbörsen („hosted wallets“) interagieren, die von Anbietern von Krypto-Dienstleistungen verwaltet werden. Diese harschen Überwachungs- und Kontrollregeln gelten glücklicherweise jedoch nicht für Bitcoin-Transaktionen von Person zu Person.

Bitcoin bislang nur ein Handels- und Spekulationsinstrument

Und so haben alle, die sich bereits entschieden haben, ein für allemal den Fiatwährungen den Rücken zu kehren, nichts zu befürchten. Sie können schon heute und auch morgen, ungehindert von Staat, Zentralbank und Behörde, Bitcoin-Transaktionen mit anderen Gleichgesinnten abwickeln. In diesen Transaktionsraum reicht der lange Arm des Staates, der Zentralbank und Behörde nun doch nicht. Wer jedoch noch keine Bitcoins besitzt, dem könnten die Knüppel, die Staat, Zentralbank und Behörde dem Bitcoin in den Weg zu schmeißen trachten, noch Probleme bereiten. Etwa indem Banken und offiziellen Bitcoin-Handelsplätzen verboten wird, Fiatgeld in Bitcoin zu tauschen und gleichzeitig auch das Bargeld abgeschafft wird.

Man sollte sich nicht blenden lassen: Staat, Zentralbank und Behörde setzen alle Hebel in Bewegung, den Aufstieg des Bitcoins als ernstzunehmende Konkurrenz zu US-Dollar, Euro & Co zu verhindern. Solange der Bitcoin „nur“ als Handels- und Spekulationsinstrument Verwendung findet, tritt die Unerbittlichkeit der Bitcoin-Gegner nicht vollends in Erscheinung. Wenn der Bitcoin aber zusehends als Geld eingesetzt wird und dem Fiatgeld den Schneid abzulaufen droht, dann wird sich das ändern, die Maske endgültig fallen.

Doch mit jedem Tag, mit dem die Zentralbanken die Fiatgeldmenge inflationär vermehren, die Staatsverschuldung ungehemmt anschwillt, wächst auch die Nachfrage der Menschen nach besserem Geld – und spätestens dann ist es im Sinne der breiten Bevölkerung, daß damit auch der Kampf gegen Bitcoin & Co verlorengeht.


Prof. Dr. Thorsten Polleit ist Volkswirt und Herausgeber des Börsenbriefs „Boom & Bust Report“. www.boombustreport.com



Foto: Bitcoin-Automat in den „Crypto Valley Labs“ in der Schweizer Gemeinde Zug: Illegal handelnde Betreiber werden in Deutschland von Polizei und Staatsanwaltschaft strafrechtlich verfolgt