Charles Ponzi war ein italoamerikanischer Finanzjongleur, der in den 1920er Jahren seine Kunden mit einer Art Schneeballsystem prellte: Statt ihr Geld seriös anzulegen, täuschte er dies nur vor und zahlte angebliche Gewinne immer nur aus den Einzahlungen vertrauensseliger Neuanleger. Nachdem sein System aufgeflogen und er selbst ins Gefängnis gewandert war, bürgerte sich für diese Art von Geschäften der Ausdruck „Ponzi-Spiele“ in der Finanzfachsprache ein. Ihr gemeinsames Merkmal ist, daß sie eine ganze Weile Seriosität vortäuschen und insoweit gutgehen können, auf Dauer aber ein um so größerer Crash unvermeidlich ist.
Liest man den Bundesdesbank-Monatsbericht über die öffentlichen Finanzen in Deutschland (8/24), fühlt man sich unwillkürlich an diese Geschichte erinnert. Denn im Haushaltsgebaren der Ampel-Regierung wimmelt es nur so von fragwürdigen Verschiebebahnhöfen und anderen Tricksereien, mit denen Finanzlücken versteckt bzw. heimlich auf die Zukunft verschoben werden sollen.
„Dann droht die Schuldenbremse ins Leere zu laufen“
Auch wenn die Bundesbank dies in ihrer vornehmen und zurückhaltenden Art noch vergleichsweise zurückhaltend kritisiert, ist ihre Botschaft doch deutlich: Es werden ungedeckte Wechsel auf die Zukunft ausgestellt, und zwar in einer Weise, die mit seriöser Finanzplanung nichts mehr zu tun hat und vermutlich einmal mehr das Verfassungsgericht auf den Plan rufen wird. Und dies betrifft nicht nur den Bund, sondern auch einige Bundesländer. So prüfen derzeit in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Sachsen die Landesverfassurde gegen die aktuelle Ausgestaltung des Solidarzuschlags zu verhandeln.
Das ist bei weitem nicht das einzige Damoklesschwert, das über Christian Lindners Finanzplanung schwebt. Sein Rechenwerk ist offenbar nur darauf ausgerichtet, daß sich die Ampel bis zur Bundestagswahl irgendwie über die Ziellinie schleppen kann. Denn „für die Folgejahre 2026 bngsgerichte den fragwürdigen Einsatz von Notlagenkrediten, der in Brandenburg bereits höchstrichterlich für nichtig erklärt wurde. Und auf Bundesebene hat das Verfassungsgericht bereits angekündigt, noch in diesem Jahr über eine Verfassungsbeschweis 2028 zeichnen sich hohe Haushaltslücken in den Planungen ab“, kritisiert die Bundesbank. Dann werden die Mittel des Bundeswehr-Sonderfonds erschöpft sein. Zudem wird der Bundeshaushalt durch schwächere Steuereinnahmen und die weggefallene EEG-Umlage für Ökostomerzeuger, die nun über Steuern mitfinanziert wird, belastet sein.
Richten sollen es laut Finanzplanung u.a. steigende Einnahmen aus dem Klimafonds, die aber offenbar eine Luftnummer sind. Bisher sei jedenfalls „noch ungeklärt, wie der Fonds dies und seine anderen umfangreichen Projekte finanzieren soll“, bemerkt die Bundesbank dazu trocken. Und so geht es weiter. So will die Ampel bisher als Zuschüsse an die Bahn geleistete Zahlungen jetzt als „Eigenkapitaleinlage“ deklarieren. Dann gelten sie nämlich als Finanzinvestition und werden nicht auf die Schuldenbremse angerechnet.
Dies wäre laut Bundesbank aber nur dann zu rechtfertigen, wenn die Bahn darauf auch eine Rendite zahlen würde. Dafür fehlen ihr aber die notwendigen Einnahmen. Zudem ächzt sie selbst unter einer Schuldenlast von 32 Milliarden Euro. Es stehe daher zu befürchten, daß sich der Bund die Rendite über neue Zuschüsse und Darlehen an die Bahn am Ende praktisch selber zahlt. Das hätte sich auch ein Charles Ponzi kaum schöner ausdenken können. Laut Bundesbank drohen auf diese Art die Schuldenbremse und die EU-Fiskalregeln „ins Leere zu laufen“.
Wo sollen die neuen „globalen Mehreinnahmen“ herkommen?
Trotz aller Finanztricks reicht das Geld im Bundeshaushalt aber noch immer nicht. So fehlen in den Haushalten 2026 und 2027 jeweils 13 Milliarden, für 2028 wird sogar ein Fehlbedarf von 39 Milliarden prognostiziert. Statt aber die Ausgabenplanung entsprechend anzupassen, veranschlagt die Ampel dafür einfach angebliche „globale Minderausgaben“ und „globale Mehreinnahmen“. Im Klartext sagt sie damit nichts anderes, als daß die Finanzlücken sich schon irgendwie schließen werden, weil am Ende vielleicht doch mehr eingenommen oder weniger ausgegeben wird, als es der eigenen Planung entspricht. Ob das aber wirklich eintrifft, „bleibt insgesamt abzuwarten“, heißt es im Bundesbank-Bericht leicht süffisant.
Eher dürfte es sogar umgekehrt sein, denn die aktuellen Konjunkturdaten stimmen alles andere als hoffnungsvoll. So ist die ohnehin schwache Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal nochmals um 0,1 Prozent geschrumpft, und die Steuereinnahmen von Bund und Ländern lagen im Juli um acht Prozent niedriger als vor Jahresfrist. Vor allem die deutsche Industrie befindet sich seit Mitte 2022 in einer regelrechten Rezession – und alle Frühindikatoren deuten derzeit auf eine weitere Talfahrt hin.
So ist der vielbeachtete Einkaufsmanager-Index für das Verarbeitende Gewerbe im August noch stärker gesunken als ohnehin schon erwartet wurde. Der für die zweite Jahreshälfte erhoffte Aufschwung bleibe damit aus, kommentiert das Finanzhaus S&P, die „desaströse“ Entwicklung der Industrie beginne stattdessen inzwischen auf den Dienstleistungssektor überzugreifen. Selbst das Finanzministerium gibt in seinem Monatsbericht inzwischen zu, daß die Konjunktur „auf der Stelle“ trete. Wo da die in der Ampel-Finanzplanung erhofften „globalen Mehreinnahmen“ in den nächsten Jahren herkommen sollen, wird wohl Christian Lindners Geheimnis bleiben. Vielleicht rechnet er aber auch gar nicht mehr damit, daß er dann noch Finanzminister sein wird.
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Foto: Bundesbank-Chef Joachim Nagel (l.) und Finanzminister Christian Lindner beim Pressefrühstück: „Für die Folgejahre 2026 bis 2028 zeichnen sich hohe Haushaltslücken ab“