Im September 1957 trafen sich drei Herren zur Lektoratsbesprechung auf einer Wiese im Chiemgau: der Schriftsteller Rudolf Alexander Schröder (1878–1962), der Verleger Peter Suhrkamp (1891–1959) und dessen Assistent Siegfried Unseld (1924–2002). Das davon überlieferte Foto vor dem „Heimatfilm-Panorama“ des Voralpenlandes ist für den Literaturhistoriker Jan Bürger ikonisch, da es politische Kontinuitäten und Brüche deutscher Literaturgeschichte zwischen Kaiserreich und Adenauer-Republik präzise personifiziere. Schröder, zur Generation Thomas Mann, Rilke, Hofmannsthal zählend, überstand die NS-Diktatur in der Inneren Emigration, wenn auch mit ideologischen Zugeständnissen. Doch als „nicht vollständig kompromittierter“ Autor eignete er sich gut, das Kulturleben eines jungen demokratischen Systems zu repräsentieren, das bei der „Vergangenheitsbewältigung“ harte Einschnitte vermied. Eine Strategie, die auch der 1944 verhaftete Regimegegner Peter Suhrkamp fuhr, indem er seinen Verlag zum „Sammelbecken für die bürgerliche Leitkultur der Wirtschaftswunderjahre“ formte. Politisch-ästhetische Aufbrüche fanden woanders statt, da der konservative Suhrkamp die „Kahlschlag“-Parolen der Gruppe 47 für „gefährlichen Unsinn“ hielt. Allerdings zierten in den frühen Fünfzigern auch schon Adorno, Benjamin und Bertolt Brecht sein Programm. Zu Suhrkamps größten Verdiensten gehöre es daher, daß er jene Dichter und Denker, die in der Emigration überlebt hatten, mit offenen Armen empfing. Daran schloß Unseld als sein Nachfolger an, als er die „radikalen Spielarten der Moderne und die internationale Avantgarde“ ins Haus holte (Zeitschrift für Ideengeschichte, 3/2024). (dg)
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