Es ist ein Vorgang, der die rechtskonservativen Drähte auf den Online-Plattformen zum Glühen brachte – und bisher einmalig sein dürfte. Zum ersten Mal sitzt ein rechter Social-Media-Influencer für seine Inhalte in der Bundesrepublik im Knast. Der Youtuber „Die vulgäre Analyse“, besser bekannt unter seinem Künstlernamen „Shlomo Finkelstein“ und als Co-Gastgeber des Streaming-Formats „Honigwabe“, hat am Sonntag eine einjährige Haftstrafe wegen Volksverhetzung angetreten. Verurteilt wurde er bereits am 11. Dezember 2020 vom Amtsgericht Köln, zunächst auf Bewährung, doch die Aussetzung der Haftstrafe wurde nun widerrufen.
Das Urteil, das inzwischen öffentlich einsehbar ist, listet insgesamt zehn Fälle auf, inj denen „Shlomo“ der mehrfachen Volksverhetzung beschuldigt wird. Bei der Mehrheit der Fälle, für die Aron P. (so der bürgerliche Name) verurteilt wurde, geht es um „Beschimpfung von Bekenntnissen und Religionsgemeinschaften“. Insgesamt achtmal soll er sich durch „die Einblendung einer Koranverbrennung auf einem Grill“ strafbar gemacht haben. Auch „Szenen, in denen Schweinefleisch auf einem brennenden Koran“ abgebildet wird, und Videoausschnitte, die zeigen, wie „ein brennender Koran mit einer Flüssigkeit – welche Urin darstellen soll – abgelöscht wird“, waren für das Gericht die Hauptgründe für die Verurteilung.
Satirische Elemente erkannte das Gericht nicht an
Die Justiz argumentierte damals, daß „Shlomos“ Ziel dieser Aktionen gewesen sei, „die Religion des Islam sowie das religiöse Bekenntnis der muslimischen Menschen zu beschimpfen, herabzusetzen und zu verhöhnen und hierdurch sämtliche Nutzer zu beschimpfen, herabzusetzen und zu verhöhnen“. Außerdem habe er in Kauf genommen, „sämtliche Nutzer, welche das Video zur Kenntnis nehmen konnten, ebenfalls zu einer feindseligen Haltung gegen die Religion des Islam und gegen das religiöse Bekenntnis muslimischer Menschen anzureizen“.
Auch „Shlomos“ wechselnde Profilbilder wurden vom Gericht beanstandet. Er soll sich sechsmal der Volksverhetzung schuldig gemacht haben, weil er eine abstrakte Comic-Karikatur des englischen Philosophen Samuel Johnson eingeblendet hat, die ihn als ein Mischwesen aus Mensch und Fledermaus darstellt – mit Hakennase, jüdischen Schläfenlocken, einem Zylinder mit Davidstern und spitzen Zähnen. Das Amtsgericht schloß daraus, „daß für einen Betrachter des Videos ersichtlich war, daß besagte Kreuzung aus Fledermaus und Mensch einen jüdischen Menschen darstellen sollte“.
In einem anderen Video soll das Comic-Bild „durch eine große Hakennase und durch rot leuchtende Augen sowie ein Rattengebiß entstellt und auf einen Rattenkörper montiert“ worden sein. „Shlomos“ Ziel soll es gewesen sein, „die in Deutschland lebenden Menschen jüdischen Glaubens nicht als gleichwertige Menschen, sondern sie als verachtenswert, minderwertig und den Tieren gleichstehend“ zu degradieren. Der satirische Kontext sei nicht klar gewesen. Daß „Shlomo“ seinen Spitznamen von rechtsradikalen Kritikern wegen seiner offenen Israelsolidarität bekommen und ihn daraufhin selbstironisch adaptiert hatte, ließ das Gericht nicht gelten.
Die Koran-Szenen stammen in erster Linie aus „Shlomos“ Anfangszeit auf Youtube 2017 bis 2019. In Interviews danach begründete er die drastischen Szenen damit, daß die Aktion für ihn zu dieser Zeit das Zeichen des größtmöglichen Protests gegen den um sich greifenden politischen Islam gewesen sei. In seinem aktuellen erfolgreichen Streaming-Format „Honigwabe“ zusammen mit dem Youtuber „KasperKast“ kommen solche Videoclips nicht vor.
Bei der Klärung der Frage, warum die Aussetzung zur Bewährung ausgerechnet jetzt – kurz vor den Landtagswahlen in drei östlichen Bundesländern – zurückgenommen wurde, verweisen die Behörden auf mehrere Auflagenverstöße. Insgesamt soll „Shlomo“ drei Auflagen gehabt haben, von denen er zwei ignoriert haben soll, wie aus den nun vollständig öffentlichen Gerichtsakten zu dem Fall hervorgeht. Eine der Auflagen war demnach, daß „Shlomo“ innerhalb des Bewährungszeitraums von drei Jahren keine weiteren Straftaten begehen durfte. Zudem war er verpflichtet, sich bei einem Umzug unverzüglich bei den Behörden umzumelden, und sollte eine Geldstrafe von 600 Euro zahlen.
Weil „Shlomo“ in der Zeit der Verfahren aber anscheinend nicht an seinem tatsächlichen Wohnort gemeldet war und es dem Youtuber Boris von Morgenstein zufolge aus familiären Gründen keine „zuverlässige“ Postnachsendung gab, kamen die entsprechenden Briefe nicht bei „Shlomo“ an. So erfüllte er weder die Ummeldung noch die pünktliche Zahlung der Geldstrafe. Deshalb entschied das Amtsgericht Köln bereits am 4. März 2022, die Bewährungs- in eine Haftstrafe umzuwandeln. Weil die Justiz nicht wußte, wo der Verurteilte wohnt und dieser auch nicht zu den Verhandlungen erschien, dauerte es noch mal gut zwei Jahre, bis er am 13. August 2024 tatsächlich verhaftet wurde: als Passant in Frankfurt/Oder von über einem Dutzend vermummten Beamten, wie Shlomos Co-Host KasperKast gegenüber der JUNGEN FREIHEIT berichtet.
Nach Bekanntwerden der Haft von Aron P. trendete auf X und in anderen sozialen Medien der Hashtag #FreeShlomo. Zahlreiche Nutzer kritisierten das Durchgreifen der Justiz als politisch motivierte „Gesinnungshaft“ und als unverhältnismäßig, gerade auch in Vergleich zu schweren Gewaltstraftaten von Migranten, und forderten eine Freilassung. Das rechte Bürgernetzwerk „Ein Prozent“ richtete einen Solifonds für die angekündigte juristische Gegenwehr ein.
Kritik am zuständigen Staatsanwalt nimmt zu
In Anlehnung an das Wirken von „Shlomo“, der auch den patriotischen „Stolzmonat“ mitinitiiert hat, feuert Rechtstwitter zudem unnachgiebig kreative Memes ab und nimmt dabei neben Innenministerin Nancy Faeser (SPD) auch den verantwortlichen Staatsanwalt Sinan Sengöz in den Fokus. Boris von Morgenstern merkt ebenfalls in einem Video an: „Der ist in Köln bekannt. Vor allem ist er dort in AfD-Kreisen bekannt. Unter anderem ist er anscheinend in Köln auch dafür bekannt, daß er Linksextremisten nicht im Ansatz so scharf juristisch verfolgt wie es möglich wäre, wie er es mit Sympathisanten und Anhängern der AfD tut.“
Brisant: KasperKast erzählt im Gespräch mit der JF, daß Aron P. nach dem Bemerken der aufgelaufenen Post sofort die geforderte Summe überwiesen habe. „Seine Anwältin hat die Staatsanwaltschaft darüber informiert und erklärt, die verlangte Ummeldung folge schnellstmöglich. Sie hat darum gebeten, von der Haftstrafe abzusehen, aber das wurde knallhart abgelehnt.“
Momentan sei „Shlomo“ auf dem Weg in eine JVA in Nordrhein-Westfalen. Im Hintergrund werde alles versucht, ihn zumindest so schnell wie möglich erstmal aus dieser JVA herauszuholen und verlegen zu lassen – allein schon wegen Sicherheitsüberlegungen mit Blick auf die Vorwürfe gegen ihn. KasperKast, der die „Honigwabe“ bis auf weiteres alleine mit Gästen fortführen wird, betont, gerade keinen direkten Kontakt zu „Shlomo“ zu haben. In einem Brief habe dieser sich wohl aber den Umständen entsprechend zuversichtlich gezeigt, „nach dem Motto: das wird schon“.
Foto: Auch die Kunstfigur soll sich der Volksverhetzung strafbar gemacht haben: Verstoß gegen mehrere Auflagen