In der öffentlichen Wahrnehmung scheint der nationalsozialistische Völkermord an den Juden Europas im Zentrum einer staatlich generös geförderten Zeitgeschichtsforschung zu stehen. Die Wirklichkeit, so lautet das Fazit einer kritischen Bestandsaufnahme des Historikers Alex J. Kay (Uni Potsdam), sehe ganz anders aus. Nur in Frankfurt und Gießen gebe es Professuren zur Erforschung des Holocaust, und nur die US-amerikanische Touro University in Berlin biete dazu einen Masterstudiengang an. Zwar finde sich ein breites Angebot von Veranstaltungen zum Thema, aber nur ein Drittel davon befasse sich mit deer Historie, während sich die übrigen sekundären Fragen wie der medialen Darstellung dieses Makroverbrechens widmen. Zudem seien Forschung und Lehre fest in Händen „weißer deutscher Männer“, während die Berufung von Nichtdeutschen auf leitende Positionen praktisch unbekannt sei, was zur Provinzialität des Betriebs geführt habe (Forschung & Lehre, 6/2024). Daher bestehe „erheblicher Verbesserungsbedarf“, personell, aber vor allem inhaltlich. Dringend sollte die Holocaust- in die umfassendere Genozidforschung eingebettet werden. Der „absolute Charakter“ der Judenvernichtung werde dadurch nicht relativiert, sofern man den Vergleich als eines der wertvollsten Werkzeuge des Historikers richtig handhabe. (ob) www.forschung-und-lehre.de