Judenhaß. Für den publizistisch sich in taz und Jungle World äußernden Historiker Sebastian Voigt (Institut für Zeitgeschichte) war der zuletzt im Massenmord vom 7. Oktober 2023 eskalierte israelisch-palästinensische Dauerstreit Anlaß, sich der Geschichte des Judenhasses zu widmen, die er fast 3.000 Jahre zurückverfolgt bis in die Zeit der vorderasiatischen Großreiche. Über die ebenso knapp skizzierte Judenfeindschaft im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit erreicht der Autor im Sauseschritt den Schwerpunkt seiner Darstellung, den deutschen Antisemitismus zwischen Reichsgründung von 1871 und dem nationalsozialistischen Völkermord an den Juden Europas. Ideologisch legt sich Voigt auf die herrschende, nur von einigen zionistischen und marxistischen Historikern nicht geteilte Meinung fest, wonach Konflikte mit der nicht-jüdischen Mehrheit stets in „wahnhaften Projektionen“ und im „Gerücht über die Juden“ (Theodor W. Adorno) wurzeln. Ausgerechnet das jüdische Volk wird damit als einziges Volk der Erde außerhalb der Geschichte gestellt, die sich nun mal als Interaktion zwischen Großkollektiven vollzieht. Mit dieser Reduktion der Judenfeindschaft auf „Vorurteile“ erspart sich Voigt die Mühe historisch differenzierender Feinanalysen, so daß am Ende so unterschiedliche Fälle wie der Jürgen Möllemanns oder Jakob Augsteins für den „Antisemitismus in der Berliner Republik“ stehen. Dem zugewanderten „muslimischen Antisemitismus“ gönnt Voigt indes nur eine Seite, auf der er treuherzig informiert, daß die leider emotional geführte „Debatte über israelbezogenen Antisemitismus regelmäßig Gegenstand politischer Auseinandersetzungen“ sei. (ob)
Sebastian Voigt: Der Judenhaß. Eine Geschichte ohne Ende? Hirzel Verlag, Stuttgart 2024, gebunden, 232 Seiten, 25 Euro
Grüne Hölle und Pampa. Mittlerweile wandelt der Reisejournalist Ludwig Witzani fast auf den Spuren des vor genau zehn Jahren verstorbenen Journalisten Peter Scholl-Latour, der mit dem Besuch Ost-Timors als hochbetagter Mann behaupten konnte, alle damaligen 194 Länder dieser Erde bereist zu haben. Nach Band 15 (Australien) oder Band 18 (USA) ist der Globetrotter nun in Südamerika im riesigen Gebiet zwischen Manaus am Amazonas, Recife am Atlantik, den Iguazú-Wasserfällen unweit des Dreiländer-ecks Brasilien-Argentinien-Paraguay bis zur Pampa am Rio Uruguay unterwegs. Kundig präsentiert Witzani eine Melange aus landeskundlicher Kultur und Geschichte, Naturbeobachtungen und diversen Kleinigkeiten als lesenswerte Würze: Oder wußten Sie, daß sich beim endlosen Ausschlürfen unzähliger Gräten einer Piranhasuppe nur allzu schwer der Grad einer Sättigung einstellt? (bä)
Ludwig Witzani: Von Manaus nach Montevideo. Reisen durch Brasilien, Paraguay und Uruguay. Epubli Verlag, Berlin 2024, broschiert, 283 Seiten, 15,95 Euro