© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 37/24 / 06. September 2024

„Voll mit Frust und Haß“
Antifa-Area: Bremen tickt traditionell sehr links. Günstig für eine gewaltaffine Subkultur
Hinrich Rohbohm

Ihr Revier ist das „Viertel“. Eine Gegend im Zentrum Bremens gelegen. Hier befindet sich die Hochburg der Antifa in der Weser-Metropole. Die Stadt ist links, war seit Bestehen der Bundesrepublik immer links regiert und von jeher ein Hort linker Vereine und Initiativen.

Doch im Viertel zwischen Ostertor und Steintor ist alles noch eine Spur radikaler. Etwa in der Sankt-Pauli-Straße 10 bis 12. Hier befindet sich der sogenannte Infoladen, Hauptquartier der Basisgruppe Antifa. Ihre Sprecherin nennt sich Tina Simons, die auf ihren Profilen in den sozialen Medien unter anderem den Slogan „Enteignen? Ja bitte!“ für sich nutzt. Was nicht überrascht. 

Denn bei der Basisgruppe Antifa handelt es sich um eine offen kommunistische Gruppe, die zum bundesweit agierenden linksautonomen Bündnis „Ums Ganze“ gehört. Das Bündnis wird vom  Bundesamt für Verfassungsschutz als linksextremistisch eingestuft, strebt unter anderem die Errichtung eines kommunistischen Systems an.

„Das sind nicht immer die hellsten Kerzen auf der Torte“

„Wann immer es Ärger gibt, sind diese Gruppen meist ganz vorne mit dabei“, sagt René, Bachelor-Student im Fach Kulturwissenschaft an der Universität Bremen. Die Hochschule gilt als linke Kaderschmiede, Verbindungen zur gewaltbereiten linksautonomen Antifa-Szene sind hier keine Seltenheit. Auch René ist links. „Ich wähle grün, seit ich wählen darf“, bekennt er. Klima-Demos, Demos gegen Rechts, Aktionen für Vielfalt und Toleranz. Der 21jährige ist schon oft bei all dem dabeigewesen.

Doch so sehr er auch von deren Richtigkeit überzeugt ist, stören ihn die gewaltbereiten Antifa-Gruppen zutiefst. „Diese Leute stehen in keiner Weise auf dem Boden des Grundgesetzes, sie wollen einen kommunistischen und totalitären Staat.“ Schon mehrfach habe er miterleben müssen, wie Aktivisten aus dem Umfeld Basisgruppe Antifa ursprünglich friedlichen Protest zum Eskalieren brachten, „um sich anschließend Scharmützel mit den Bullen“ zu liefern. Ob da wirklich immer eine Absicht oder Strategie hintersteht, könne er nicht sagen.

Einige aus diesem Umfeld kenne er persönlich. „Das sind jetzt nicht immer die hellsten Kerzen auf der Torte. Ich glaube, da wird dann auch schnell mal einfach emotional reagiert. Jemand kloppt einen Spruch raus und schon sind die bei der nächsten Keilerei dabei.“ Von denen, die er kennt, wisse er jedenfalls, „daß da einfach privat und familiär schon einiges schiefgelaufen“ sei. „Die sind vollgesogen mit Frust und Haß auf alles Mögliche und daher leicht empfänglich für politisch extremes Zeug.“ 

Neben der Basisgruppe Antifa aus Bremen gehören auch die Göttinger Gruppe Redical (M), die Kölner Antifa AK, die Communist Action & Theory aus Marburg oder die Frankfurter Organisation Kritik & Praxis zum „Ums Ganze“-Bündnis, das nicht nur bei den G20-Krawallen in Hamburg, sondern auch bei den Blockupy-Unruhen in Frankfurt und den Klima-Blockadeaktionen von Ende Gelände rund um die Internationale Automobilausstellung in München (IAA) sowie der versuchten Blockade des Hamburger Hafens beteiligt waren.

„Es sind eigentlich nur wenige darunter, die das wirklich ideologisch betreiben, für die meisten hat das alles eher Event-Charakter“, ist auch Aileen überzeugt. Die 23jährige Psychologiestudentin war vor knapp sechs Jahren in der Klimabewegung aktiv und dabei „während des Greta-Hypes“ auch mit der Bremer Antifa in Kontakt gekommen. „Die waren mir aber einfach zu strange drauf“, erzählt auch sie. „So richtig ideologisch“ seien nur die wenigsten gewesen, diese wenigen dafür aber „um so heftiger“. Es dürfte sich dabei um jene aus dem „Ums Ganze“-Bündnis handeln, die sich laut Verfassungsschutz die kommunistische Revolution sowie die Umgestaltung von Staat und Gesellschaft zum Ziel gesetzt haben. 

Um so interessanter ist daher das Umfeld der Förderer und Unterstützer jener Gewalttäter. In der Vergangenheit hatte das linksextreme Bündnis unter anderem zu Kongressen geladen. Zu deren Teilnehmern zählten etwa der Politikwissenschaftler und ehemalige Grünen-Europaabgeordnete Frieder Otto Wolf, der noch heute als Präsident der Humanistischen Akademie Deutschland wirkt.

Auch die Politikwissenschaftler Michael Heinrich und Sonja Buckel gehörten dazu. Heinrich war Erstunterzeichner der von der Linkspartei zur Europawahl maßgeblich initiierten Kampagne „Wir wählen links“, Buckel ist Vizepräsidentin der Universität Kassel, zudem Kollegiumsmitglied des Frankfurter Instituts für Sozialforschung, der Wiege der Kritischen Theorie und ehemaliges Institut für Marxismus, das in seiner Gründungszeit zu Beginn der zwanziger Jahre noch eng mit dem sowjetischen Marx-Engels-Institut in Moskau zusammenarbeitete.

Ebenfalls mit dabei waren der Frankfurter Soziologie-Professor und Senior-Fellow der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Alex Demirović, sowie der als Antifa-Journalist bekannte Jörg Sundermeier. Das Szene-Hauptquartier in der Sankt-Pauli-Straße fungiert nach außen lediglich als sogenannter Infoladen. „Da laufen immer mal wieder Partys, aber viel mehr weiß ich da auch nicht drüber“, läßt sich einem Anwohner in der näheren Umgebung entlocken. Andere hingegen wollen lieber gar nichts dazu sagen.

Ein weiterer Treffpunkt für Bremens Linksaußen-Klientel: Das Sielwallhaus, ein mit den üblichen Graffiti-Schmierereien übersäter Altbau, nicht weit vom Infoladen entfernt. Betrieben wird er von der gleichnamigen Jugendinitiative Sielwallhaus e.V. Partys werden auch hier gefeiert. Offenbar so exzessiv, daß es selbst den linksalternativen Nachbarn immer mal wieder zu viel wird. Bereits mehrfach hatten sie gegen die Jugendinitiative geklagt. Wegen Lärm, aber auch wegen Geruchsbelästigungen. Ein weiterer Treffpunkt der Antifa: das Alte Sportamt am Steintor. „Dort finden immer wieder Meetings statt, wenn größere Aktionen geplant sind“, erzählt René. Vernetzungen zwischen Antifaschisten-Szene, „Ende Gelände“ oder „Fridays for Future“ würden hier oftmals ihren Anfang nehmen. „Gerade dort geraten junge Menschen schnell in die Radikalisierung. Und was mal als friedliche Demo beabsichtigt war, artet dann schnell in Gewalt aus.“

Auch Aileen kennt das Alte Sportamt. „Ich haben das selbst miterlebt. Da vermischen sich dann schnell mal radikale und gemäßigte Gruppen zwischen Party und Politik. Auf diese Weise gewinnen Extremisten ihren Nachwuchs, und leider kommt es dann eben immer wieder zu Eskalationen.“

Den Zulauf für gewaltbereite linke Gruppen sieht sie dabei jedoch begrenzt. „Das Konzept ging schon nicht sonderlich gut auf, als ich noch dabei war. Und heute hat die Jugend leider andere Sorgen als Klima und Flüchtlinge, die Themen ziehen einfach nicht mehr.“ Gerade für den Klimaschutz sei das schlecht. „Aber wenigstens geraten die Kids dann nicht in die Fänge dieser Ideologen“, kann sie dem Ganzen für sich zumindest etwas Gutes abgewinnen.


Lesen Sie in Teil 9 dieser Reportage mehr über die radikalen Strukturen der Antifa in Frankfurt am Main.


Foto: Linksalternativer Szenetreffpunkt ­„Sielwallhaus“: Nachbarn klagen, wenn es mal wieder zu laut wird