© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 37/24 / 06. September 2024

Grüße aus … Sarajevo
Disneyland für ein paar Tage
Filip Gaspar

Die bosnische Hauptstadt Sarajevo ist bekannt für die Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand, die Winterolympiade von 1984  und die längste Belagerung einer Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg. Das bereits zum 30. Mal stattfindende Filmfestival ist etwas weniger bekannt. Es soll das größte und bedeutendste Filmfestival in Südosteuropa sein, wo so viele Filme aus dieser Region präsentiert werden wie irgendwo sonst, und doch habe ich von den Bewohnern Sarajevos immer wieder vernommen, daß sie froh seien, sobald der Spuk vorbei ist. 

Dabei ist die Stadt herausgeputzt wie selten, der rote Teppich vor dem Nationaltheater ausgerollt für die Šminkeri, wie man in Bosnien sagt, also die Schickeria, und es erschien mir sogar, daß die Straßenbettler gecastet wurden. Von Kriminalität und Unsicherheit auf den Straßen keine Spur, das ganze hatte einen Flair von Disneyland.

Womit ich aber nicht gerechnet hätte, war es, Jesus zu begegnen, sondern wenn überhaupt dann im katholischen Wallfahrtsort Medjugorje, wo die Heilige Mutter Gottes vor über 30 Jahren erschienenen sein soll oder nach dem Konsum von zu viel selbstgebranntem Sliwowitz.

Da saß ich nun plötzlich auf einem roten Sofa neben Jesus Quintana aus dem Kultfilm „The Big Lebowski“.

Aber da saß ich nun auf einem roten Sofa, ein paar hundert Meter entfernt von der Stelle, wo Franz Ferdinand erschossen wurde, und neben mir der wahrhaftige Jesus Quintana aus dem Kultfilm „The Big Lebowski“ – gespielt von John Turturro.

Der Anlaß unseres Selfies war mein alljährlicher Heimatbesuch und Turturros Rolle als einer der Stargäste. Er erhielt das Ehren-Herz von Sarajevo für seine cineastischen Verdienste. Und die hätte er alleine schon für seine Kultrolle als der Bowling spielende Jesus verdient. Obwohl es nur bei einem Kurzauftritt im Film blieb, prägte diese Rolle seine Karriere und Turturro war der Publikumsmagnet überhaupt in Sarajevo.

Das Gespräch mit Pressevertretern, bei dem ich der einzige aus Deutschland zu sein schien, mit Turturro war ein Highlight für Kinofans. Von Distanz kann gar keine Rede sein, und auch wenn Turturro seine anderen sehenswerten Filme verwies, wie zum Beispiel „O Brother, Where Art Thou? Eine Mississippi-Odyssee“ mit George Clooney oder den neuesten „Batman“, so wollten alle Fragen zum Kultfilm beantwortet werden. Nach anfänglichem Zögern beantwortete er diese auch, und man erfuhr, daß die bekannte Ableckszene mit der Bowlingkugel von ihm improvisiert wurde, und Turturro sicher war, daß diese es nicht in den Film schaffen würde.

Neben Turturro wurde Meg Ryan mit dem Ehren-Herz von Sarajevo ausgezeichnet. Gezeigt wurde ihr Klassiker „You’ve Got Mail“ im Freiluftkino. Warum „The Big Lebowski“ nicht gezeigt wurde, bleibt mir ein Rätsel.