© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 37/24 / 06. September 2024

Kampf an mehreren Fronten
Flugverkehr: Die Lufhansa steht nach der Corona-Krise vor einer Reorganisation des Konzerns
Fabian Schmidt-Ahmad

Der deutsche Wirtschaftsstandort ist zur Belastung geworden. Deutlich wird dies vor allem in einer Branche, die wie kaum eine andere dafür sorgt, die Welt zu einem globalen Dorf zu machen – der zivilen Luftfahrt. Hier geraten deutsche Unternehmen zunehmend ins Hintertreffen, wie das Lufthansa-Beispiel zeigt. Vom einstigen Vorzeige-Unternehmen entwickelt sich die traditionsreiche Fluggesellschaft mit dem Kranich langsam zum Sorgenkind, das in die roten Zahlen abgerutscht ist.

Auf rund 427 Millionen Euro beziffert Lufthansa den bisher in 2024 eingeflogenen Verlust. „Ein ausgeglichenes Ganzjahresergebnis wird für Lufthansa Airlines zunehmend anspruchsvoll“, heißt es in einer Stellungnahme. Im Vergleichszeitraum 2023 war das noch ein Gewinn von 149 Millionen Euro. „Angesichts der gleichzeitig gestiegenen Kosten mußten die Gewinnerwartungen branchenweit – und auch bei uns – angepaßt werden.“ Tatsächlich hat die Fluggesellschaft gleich an mehreren Fronten zu kämpfen.

Viele Probleme haben ihre Ursache in der deutschen und EU-Politik

Da wären zum einen ganze Streikwellen, welche der Lufthansa-Gruppe im laufenden Geschäftsjahr die Bilanz verhageln. Zuletzt endete am Sonntag ein Tarifstreit bei der Lufthansa-Tochter Discover ohne Einigung. Die Forderungen der „Vereinigung Cockpit“ seien „völlig inakzeptabel und ohne jedes Maß“, gab sich die auf Ferienflüge spezialisierte Lufthansa-Tochter kämpferisch. Doch mit jedem gestrichenen Flug verliert das Unternehmen nicht nur Geld. Auch das Ansehen unter potentiellen Kunden schwindet. 

Aber weitere Pannen im Flugbetrieb können für das Unternehmen gefährlich werden. Denn die Lufthansa-Gruppe vereint zwar zahlreiche Fluglinien unter ihrem Dach. Doch darunter ist niemand, der mit spezialisierten Billigfluggesellschaften wie Easyjet breit konkurrieren kann. Wichtiges Unterscheidungsmerkmal bleibt daher Komfort und Sicherheit. Die Konzernspitze um Carsten Spohr ist jedenfalls alarmiert und versprach auf der letzten Aktionärsversammlung im Mai eine umfassende Reorganisation des Großkonzerns.

„Lufthansa Airlines ist in besonderem Maße von Herausforderungen aus der negativen Marktentwicklung sowie Ineffizienzen in den Flugbetrieben Lufthansa und Cityline betroffen“, heißt es dazu. Konkret soll die eigentliche Lufthansa-Linie als „Premiummarke“ gestärkt werden. „Lufthansa Airlines wird sich auf die lukrativen Langstrecken-Verbindungen konzentrieren müssen“, zitiert das Handelsblatt ein Vorstandsmitglied. Erste Maßnahme: Die 2021 abgeschafften Gratis-Getränke kehren in einer Testphase zurück.

Allerdings kann das nicht darüber hinwegtäuschen, daß viele Probleme in der deutschen und EU-Politik liegen. Sachte deutet das der Konzern an, wenn er „die im Vergleich überproportional gestiegenen Standortkosten in Deutschland“ erwähnt. Das ist nicht nur die hohe Inflation, die mit zur jüngsten Streikwelle beigetragen haben dürfte. Auch nicht die stark gestiegenen Energiekosten der Flughafenbetreiber, die sich in höheren Gebühren bemerkbar machen. Sondern auch ein klammer Staat, der zulangt, wo er Geld sieht.

Die gewaltige Steuer- und Abgabenlast, unter der deutsche Autofahrer an der Zapfsäule ächzen, gilt für Airlines noch nicht. Das ist auch sinnvoll, sonst ergeht es diesen wie der deutschen Tankstelle in polnischer Grenznähe – sie gehen pleite, ganz einfach, weil sie in einem globalen Wettbewerb stehen. Diese angeblichen „Subventionen“ waren Klima- und Umweltaktivisten jedoch schon lange ein Dorn im Auge, weshalb die schwarz-gelbe Bundesregierung unter Angela Merkel 2011 die Luftverkehrsabgabe einführte.

Diese funktioniert als Bundessteuer und ist – wie sollte es in Deutschland anders sein – für Außenstehende schwer zu durchblicken. Auslandsflüge werden gemäß ihren Zielen in drei Kategorien eingeteilt, wobei pro Passagier eine jeweilige Pauschale fällig wird. Zwar werden diese Kategorien als „Distanzklassen“ bezeichnet, jedoch gilt das nur ungefähr. Die Strecke Berlin-Wladiwostok mit ihren 8.000 Kilometern würde als „Kurzstrecke“, die Strecke Berlin-New York mit ihren 6.400 Kilometern als „Fernstrecke“ gelten.

Der Wirrnisse nicht genug. Das Bundesfinanzministerium legte bei der Einführung eine Deckelung von etwa einer Milliarde Euro fest. Deshalb sanken die Gebühren von ursprünglich bis zu 45 Euro pro Ticket zunächst leicht, bis die Pauschale 2020 noch unter Merkel auf 1,75 Milliarden Euro kräftig erhöht wurde. Ihr Nachfolger Scholz tat es ihr gleich und hob im Mai 2024 nochmals die Pauschale auf etwa 2,2 Milliarden Euro an. Jetzt werden je nach Flugstrecke zwischen 15,53 und 70,83 Euro fällig – zusätzlich zu anderen Kosten.

Zwei Prozent des Kerosins aus teureren „klimaneutralen“ Quellen

Damit ist Deutschland internationaler Spitzenreiter. Unser Nachbar Frankreich beispielsweise verlangt in der preiswerten Economy-Klasse eine Pauschale von 1,13 Euro für EU- und 4,51 Euro für Nicht-EU-Ziele. In der bequemen Business-Klasse werden dann 11,27 Euro beziehungsweise 45,07 Euro fällig. Selbst Länder wie Australien oder die Philippinen, die aufgrund ihrer geographisch isolierten Lage hohe Abgaben verlangen können, bleiben mit vierzig beziehungsweise dreißig Euro weit unter deutschen Vorstellungen.

Das sind dann mehrere tausend Euro pro Flug, die Lufthansa gegenüber Konkurrenten wie Emirates mit Stammsitz in Dubai oder Qatar in Doha draufzahlen muß, die solche Abgaben nicht kennen. Während letztere zudem von den günstigen Treibstoffkosten in den erdölreichen Ländern profitieren, droht Europäern hier neues Ungemach. Ab Januar 2025 muß an allen EU-Flughäfen mindestens zwei Prozent Kerosin aus „klimaneutralen“ Quellen stammen. Musterschüler Deutschland prescht hier mit einem nationalen Aktionsplan voran.

Das Problem: Der künstlich hergestellte Sprit ist nicht nur extrem teuer – es gibt auch kaum Kapazitäten. „Die Bundesregierung muß ihre nationale Sonderlösung rasch zu den Akten legen“, schimpfte Lufthansa-Vorstandsmitglied Kay Lindemann im Tagesspiegel. „Sonst zahlen am Ende Airlines und ihre Kunden absurde Strafen dafür, daß sie einen Kraftstoff nicht nutzen, den es gar nicht gibt.“ Wir sehen also: Auch ohne sich auf die Startbahn zu kleben, machen Klimaschützer deutschen Luftfahrtunternehmen das Leben sauer.


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