Anfang August verabschiedete das bulgarische Parlament eine Änderung des Bildungsgesetzes, das LGBT-Propaganda in Bildungseinrichtungen verbietet. Die Änderung wurde mit 159 Ja-Stimmen, 22 Nein-Stimmen und 12 Enthaltungen angenommen. Die Änderung besagt, daß „Propaganda, Förderung oder Aufstachelung zu Ideen und Ansichten im Zusammenhang mit einer nicht traditionellen sexuellen Orientierung und/oder einer anderen als der biologischen Geschlechtsidentität“ im Rahmen des Bildungssystems in bulgarischen Vorschulen und Schulen nun verboten sei. Es wurde zudem ein separater Text angenommen, der „nicht-traditionelle sexuelle Orientierung“ als „anders als die in der bulgarischen Rechtstradition allgemein akzeptierten und etablierten Vorstellungen von emotionaler, romantischer, sexueller oder sinnlicher Anziehung zwischen Personen des anderen Geschlechts“ definiert. Die Sprecherin der EU-Kommission, Anitta Hipper, antwortete auf die Frage eines Politico-Journalisten, ob dieses Gesetz mit den europäischen Werten und Gesetzen in Einklang stehe, lehnte es aber ab, darüber zu spekulieren, ob es zur Aussetzung von Mitteln aus dem Konjunkturprogramm führen könnte.
Bulgarien folgt Polen und Ungarn in seiner Kinderschutzpolitik
Die bulgarische Novelle ähnelt stark dem von der ungarischen Regierung im Jahr 2021 verabschiedeten Kinderschutzgesetz, das verhindern soll, daß schädliche Gender-Propaganda Kinder erreicht, und das die Aktivitäten von Gender-Lobbygruppen in Kindergärten und Schulen verbieten soll. Kritiker des ungarischen Gesetzes argumentieren, daß einige Bestimmungen Mitglieder der LGBT-Gemeinschaft diskriminieren. Im Juli 2021 leitete die Europäische Kommission wegen des Gesetzes ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn ein und verwies den Fall im Dezember 2022 an den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Belgien, Luxemburg, die Niederlande, Portugal, Österreich, Irland, Dänemark, Malta, Spanien, Schweden, Finnland, Slowenien, Frankreich, Deutschland und Griechenland haben sich einer Klage gegen das ungarische Kinderschutzgesetz angeschlossen, das weithin als LGBT-feindlich kritisiert wird. „Europa wird niemals zulassen, dass Teile unserer Gesellschaft stigmatisiert werden: sei es wegen der Person, die sie lieben, wegen ihres Alters, ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ihrer politischen Meinung oder ihrer religiösen Überzeugung“, erklärte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am 7. Juli 2021.
Die Sexualisierung schon von Kleinkindern ist bekanntermaßen neben diversen „Green Deals“ eines der Leib- und Magenthemen der europäischen Eliten in Straßburg und Brüssel. Die aus Ungarn stammende konservative Bildungseinrichtung Mathias Corvinus Collegium (MCC) hat nun das neue Programm analysiert, das unter dem Namen „Comprehensive Sexuality Education“ (zu deutsch: umfassende Sexualaufklärung) weltweit an den Schulen zum Einsatz kommen soll.
In den vergangenen Jahren sei eine neue Idee entstanden, wie junge Menschen über Sex und Beziehungen unterrichtet werden sollten, moniert das MCC: „Die Sexualerziehung wurde zu einem breiteren Lehrplan ausgebaut.“ Das CSE sei indessen aber eine neue Stufe. „Wie der Name schon sagt, ist es sowohl gründlicher als frühere Ideen als auch weitreichender. CSE ist eine kraftvolle moralische Intervention in das Leben von Kindern auf der ganzen Welt, die als routinemäßiger Teil des Schultages stattfinden soll.“
Ziel des Unterrichts sei es, die Haltungen und Werte der Kinder im intimsten Bereich ihres Lebens zu formen: „Ziel ist es, gesellschaftlichen Wandel herbeizuführen.“ Auf der Internetseite des Europäischen Parlaments findet man dazu eine bemerkenswert offene Erklärung, die belegt, wo die Reise hingehen soll: „Obwohl es fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse und ein starkes politisches Engagement gibt, überzeugt die tatsächliche Umsetzung der Sexualerziehung in den EU-Mitgliedstaaten nicht immer. Zwar verfügen die meisten EU-Mitgliedstaaten über eine obligatorische Sexualerziehung, doch gibt es große Unterschiede, wie sie in der Praxis umgesetzt wird. Die Unterschiede betreffen sowohl den Inhalt als auch die Art und Weise der Vermittlung.“
Das MCC moniert dagegen, daß die umfassende Sexualaufklärung einen starken moralischen Eingriff in das Leben von Kindern auf der ganzen Welt darstelle, der routinemäßig in den Schulalltag integriert werden soll. Der Unterricht ziele darauf ab, die Einstellungen und Werte der Kinder im intimsten Bereich ihres Lebens zu prägen. Der Unterricht konzentriere sich oft nur wenig auf die Grundlagen der sexuellen Fortpflanzung und stattdessen auf allgemeinere Themen wie Sexualität und intime Beziehungen.
„Unter dem Deckmantel von CSE wird eine Reihe von Sexualverhaltensweisen gefördert und ermutigt – sogar bei Kleinkindern“, heißt es in der Studie. Das EU-Parlament moniert dagegen, daß die Vielfalt der Geschlechter und die sexuelle Vielfalt sowie die Vertretung bestimmter Gruppen wie junger Menschen mit Behinderungen in vielen Ländern in der Sexualerziehung nicht ausreichend thematisiert werde. Befürworter von CSE argumentieren, daß es ein wirksames Mittel ist, um die mit sexuellen Aktivitäten verbundenen Risiken zu verringern und eine positive Einstellung zu Sex, Sexualität, Beziehungen, Geschlechtergleichheit und Geschlechtsidentität zu fördern. Unterstützt wird das Programm nicht nur vom EU-Parlament, sondern auch von der Weltgesundheitsorganisation WHO und der Unesco.
Brüssel gibt „Orientierungshilfen“ und drängt auf Umsetzung
Das MCC führt als Hauptargument gegen das Programm an, daß seine Befürworter davon besessen seien, die Idee zu verbreiten, daß Kinder sexuelle Wesen sind und ihr sexuelles Vergnügen an erster Stelle stehe. Diese Ansicht beschränke sich nicht auf akademische Mindermeinungen, sondern stehe im Mittelpunkt der Politik und der Lobbyarbeit der großen internationalen Nichtregierungs-Organisationen (NGOs). „Das führt zwangsläufig dazu, daß im CSE-Lehrplan versucht wird, Kinder in einer Weise zu sexualisieren, die die Mehrheit der Eltern in den europäischen Ländern nicht gutheißen würde“, heißt es in der Veröffentlichung.
Im Rahmen der Europäischen Union liegt die Hauptverantwortung für die Bildungspolitik bei den Mitgliedsstaaten. Nichtsdestotrotz bieten die EU und ihre Institutionen in bestimmten Bereichen Orientierungshilfen an und drängen auf deren Umsetzung. Die „umfassende Sexualerziehung“ ist eine davon. Die anfängliche Betonung eines „lehrplanbasierten Prozesses“ weise auf die Rolle der Schulen und Lehrer bei der Vermittlung von CSE hin: „Es handelt sich um ein obligatorisches Element des Lehrplans und nicht um etwas Informelles, das anderweitig vermittelt werden könnte.“ Als äußerst kritisch sehen die Autoren dabei die Forderung an, daß Kinder und Jugendliche sich voll und ganz als „aktive Lernende“ engagieren und nicht als passive Empfänger von Fakten.
Der Schwerpunkt liege auf dem Erwerb von „Fähigkeiten, Einstellungen und Werten“. Scharf moniert wird auch die Tatsache, daß in dem CSE-Plan nicht zwischen Kindern und Jugendlichen unterschieden werde. Frühkindliche Sexualisierung lautet hier das bekannte Zauberwort. „Es läßt sich sagen, daß eine Definition von CSE, die von einem mächtigen Netzwerk globaler Organisationen aufgegriffen und Nationen, Schulen und Kindern aufgezwungen wurde, die Bildung ausnutzt, um einen hochgradig politisierten und umstrittenen Ansatz zur Veränderung der persönlichen Einstellungen und Werte von Kindern zu fördern“, heißt es in der Studie weiter.
In einem Papier für die Europäische Kommission aus dem Jahr 2020 hieß es bemerkenswert offen, das Europäische Parlament habe kürzlich „die Erwartung bekräftigt, daß alle Mitgliedstaaten die WHO-Standards für die Sexualerziehung in Europa einhalten, die in den internationalen technischen Leitlinien der Unesco zur Sexualerziehung dargelegten bewährten Verfahren befolgen und bei der Entwicklung und Durchführung der Sexualerziehung ihre Fortschritte im Hinblick auf die einschlägigen Ziele für nachhaltige Entwicklung berücksichtigen.“ Ein Hauptargument für CSE lautet, daß bereits Kinder ein Recht auf Sexualaufklärung hätten. Es werde als ein Mittel für Nationen gefördert, um die Rechte von Kindern auf Gesundheit und Bildung zu erfüllen.
Die Autoren des MCC kritisieren dabei, daß auf diesem Wege vor allem den Eltern ein elementares Recht auf Erziehung genommen werde. Die CSE-Leitlinien gehen davon aus, daß nicht die Familien, sondern die Kinder ein Recht auf Privatsphäre und Vertraulichkeit haben. Ein Kind kann einem CSE-Lehrer mitteilen, daß es sexuelle Praktiken ausgeübt hat oder es sich über seine Geschlechtsidentität im unklaren ist, wobei es davon ausgehen kann, daß diese Informationen nicht an seine Eltern weitergegeben werden.
Die Autorität der Eltern wird mehr und mehr untergraben
Kindern werde somit beigebracht, daß „alles erlaubt“ sei, solange die Menschen sich einvernehmlich sexuell betätigen. Bei der Entwicklung eines Bewußtseins für Sexualität gehe es dann logischerweise darum, Kinder darauf vorzubereiten, sich auf eine Reihe von einvernehmlichen Handlungen einzulassen. Besonders kritisch sehen die Autoren, daß Kinder sich mit Themen wie Masturbation oder Analsex auseinandersetzen sollten.
Die Unesco erklärt dagegen, CSE spiele eine zentrale Rolle bei der Vorbereitung junger Menschen auf ein sicheres, produktives und erfülltes Leben in einer Welt, in der HIV und Aids, sexuell übertragbare Infektionen, ungewollte Schwangerschaften, geschlechtsspezifische Gewalt und die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern immer noch ernsthafte Risiken für ihr Wohlergehen darstellen würden.
Die MCC-Autoren erwidern, daß diese Argumentation ausschließlich dazu diene, Angst zu verbreiten. Nach dem Motto: „Wer sich verweigert, läuft Gefahr, an Aids zu erkranken“. Letztlich sei es das Erwachsenwerden und die Bewältigung des Erwachsenenalters ohne professionelle Hilfe von außen, das von den Befürwortern von CSE als das eigentliche Risiko dargestellt werde. Sobald dieser Bedarf an professioneller Unterstützung beim Erwachsenwerden akzeptiert werde, steht es den CSE-Befürwortern frei, jeden Aspekt des Innenlebens des Kindes zu besetzen und nicht nur das persönliche Verhalten, sondern auch individuelle Überzeugungen und emotionale Reaktionen zu prägen.
Mit zahlreichen Zitaten aus EU-Kreisen machen die Autoren deutlich, daß es im Endeffekt darum gehe, jegliche gesellschaftlichen Normen aufzubrechen. Es gebe keine vorbestimmten Geschlechter und eine Sexualität lasse sich beliebig ändern. „Die eindeutige Implikation ist, daß diejenigen, die gleichgeschlechtliche Beziehungen nicht akzeptieren oder die Frage stellen, ob sich ein Mann alleine aufgrund seiner Gefühle in eine Frau verwandeln kann, Blut an ihren Händen haben“, schreiben die Autoren. Die Weltgesundheitsorganisation habe angeregt, bereits im Alter von vier Jahren Kinder zu ermutigen, sich mit dem „lustvollen Erleben“ des eigenen Körpers zu beschäftigen. Das Fazit der Autoren ist eindeutig: „CSE spricht von Kinderrechten, aber indem es die Autorität der Eltern an sich reißt, macht es die Kinder nicht weniger, sondern mehr gefährdet.“
Auf seiten der Befürworter sieht man das naturgemäß ganz anders. In vielen Gesellschaften gebe es nach wie vor falsche Vorstellungen darüber, welche Auswirkungen es auf junge Menschen habe, wenn sie Unterricht in bezug auf Sexualität und Beziehungen erhalten: „Diese falschen Vorstellungen werden häufig von organisierten Gegnern angeheizt und verbreitet. Infolgedessen beruht die Sexualerziehung oft nicht auf Fakten, sondern wird zu einem politisierten Thema und bleibt in vielen EU-Mitgliedstaaten Gegenstand von Diskussionen.“
Foto: LGBT-Aktivisten protestieren in Sofia: Gegen die Verabschiedung eines Gesetzes, das LGBT-Propaganda in Bildungseinrichtungen verbietet
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