Hermann Bernhard Ramcke, geboren 1889 in Schleswig, gestorben 1968 in Kappeln an der Schlei, hat seinen wundersamen Aufstieg „Vom Schiffsjungen zum Fallschirmjägergeneral“ in einer 1943 veröffentlichten Autobiographie geschildert. Unter einem glücklichen Stern stand der Lebensweg des Sohnes eines kinderreichen, kärglich existierenden Subalternbeamten zunächst nicht: 1905 trat der den Musterungskriterien nur knapp genügende Schulabbrecher in Kiel in die Schiffsjungen-Abteilung der Kaiserlichen Marine ein, um ein von hartem Drill und vielen Bordkommandos geprägtes unstetes Matrosendasein zu führen, das ihm wenig Aussicht bot, je aus diesen Niederungen aufzutauchen.
Im Ersten Weltkrieg, den er als Marineinfanterist an der Flandernfront erlebte, wendete sich jedoch sein Schicksalsblatt. Mut, Schneid und Draufgängertum wurden mit dem Pour le Mérite für Unteroffiziere belohnt, dem preußischen Militär-Verdienstkreuz in Gold, einer höchst seltenen Auszeichnung, die mit der Ernennung zum „Tapferkeitsleutnant“ verbunden war und ihm die Übernahme ins 100.000-Mann-Heer der Reichswehr sicherte, wo der bei Untergebenen als „harter Hund“ gefürchtete, sich selbst nicht schonende, kleine (1,60 Meter), energiegeladene Infanterieoffizier vom Typ „Kugelblitz“ in ostpreußischen Garnisonen Dienst tat.
Die ab 1935 forcierte Wiederaufrüstung, der abermalige Wechsel der Waffengattung, vom Heer zu den Fallschirmjägern der Luftwaffe sowie erneute Frontbewährungen bei der Eroberung Kretas und beim Afrika-Feldzug Rommels beförderten Ramcke schließlich in die Reihen der Generalität. Sein Unbeugsamkeitsnimbus empfahl ihn im August 1944 für den Posten des Kommandanten der zur Festung erklärten bretonischen Hafenstadt Brest, die er mit seiner 2. Fallschirmjäger-Division gegen weit überlegene US-Verbände so lange zäh verteidigte, bis, wie der Wehrmachtbericht meldete, dem Feind „nur ein Trümmerhaufen“ in die Hände fiel. Ramcke geriet in US-Gefangenschaft, wurde 1946 an Frankreich ausgeliefert und wegen vermeintlicher Kriegsverbrechen in Brest zu fünf Jahren Zwangsarbeit verurteilt.
Auf diese Verurteilung spielt schon der des Generals Autobiographie persiflierende Untertitel der schmalen Studie Jens Nielsens an: „Vom Schiffsjungen zum Kriegsverbrecher“. Obwohl ihr Verfasser der windigen Anklageschrift selbst keine Beweise nachreichen kann, konzentriert sich seine stilistisch nicht eben parkettsichere, auf dem Hochsitz der Moral verfaßte Arbeit auf diesen obsessiv wiederholten Vorwurf soldatischen „Kriegsverbrechertums“. Entstanden ist so eine explizit für den „Kampf gegen Rechts“ gedachte Polemik in zeithistorischer Verkleidung.
Jens Nielsen: Die Ramckes. eine deutsche Familie. Vom Schiffsjungen zum Kriegsverbrecher. Books on Demand, Norderstedt 2024, gebunden, 152 Seiten, 20,99 Euro