In dem Disney-Film „Magic Highway“ von 1958 kann man sehen, wie sich Zukunftsforscher damals das Autofahren im Jahr 2000 vorgestellt haben. Vieles davon, wie Rettungshubschrauber, farbige Fahrbahnmarkierungen und automatische Verkehrsregulierung, ist tatsächlich Wirklichkeit geworden. Anderes blieb dagegen Utopie, zum Beispiel über die Fahrbahn schwebende Fahrgastzellen, die sich bei Bedarf teilen und so den Vater zur Arbeit und zugleich die Mutter zum Einkaufen bringen können. Im Prinzip sehen Autos heute mit vier Rädern, Lenkrad und Fußpedalen noch genauso aus wie damals. Nur unter dem Blech hat sich in puncto Sicherheit, Verbrauch, elektronischen Helferlein und Navigation eine ganze Menge getan. Inzwischen sind wir vom autonomen Fahren, das auch im Disney-Film bereits vorausgesagt wird, tatsächlich nicht mehr weit entfernt. Eigentlich müßte es also der Automobilindustrie blendend gehen, und die Menschen sollten mit ihrer Mobilität hochzufrieden sein.
Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Nur ein Drittel des Führungspersonals der globalen Autoindustrie glaubt derzeit an ein profitables Wachstum in den nächsten Jahren. Das besagt der aktuelle „Global Automotive Executives Survey“, den die Unternehmensberatung KPMG zum 24. Mal vorgelegt hat. In Deutschland blicken sogar nur 16 Prozent der Automanager optimistisch in die nähere Zukunft, während es im Vorjahr noch 41 Prozent gewesen waren. Und das hat seine Gründe. Denn nicht nur die Rahmendaten sind hierzulande mit wirtschaftlicher Stagnation, Höchstwerten bei Steuern und Energiepreisen und verrottender Infrastruktur beispiellos schlecht im Vergleich zu den konkurrierenden Industrieländern.
Inzwischen müssen die deutschen Automobilbauer auch erkennen, daß sie mit der einseitigen Ausrichtung auf die Elektromobilität auf das falsche Pferd gesetzt haben. Mehr oder weniger willenlos waren sie praktisch alle den planwirtschaftlichen Vorgaben aus Brüssel und Berlin gefolgt, statt auf Technologieoffenheit und Wettbewerb der Antriebssysteme zu drängen. Dabei hätte gerade dort der große Vorteil deutscher Ingenieurskunst gelegen, mit dem die deutsche Automobilindustrie zum Weltmarktführer aufgestiegen war. Jetzt kommt der große Katzenjammer: Der ohnehin nur mit staatlichen Subventionen künstlich angeheizte Elektroboom ist nach dem Ende der Förderung komplett eingebrochen, und zusätzlich macht die billigere Konkurrenz insbesondere aus China den deutschen Autobauern schwer zu schaffen. Die Kunden stehen den teuren und umständlich zu ladenden Strommobilen ohnehin eher skeptisch gegenüber. Und für den Güterverkehr sind sie schon gar nicht geeignet, hier ist bis auf weiteres der Dieselantrieb nicht zu schlagen. Gerade diesem aber versuchen grüne Ideologen schon seit geraumer Zeit den Garaus zu machen, mit teilweise hanebüchenen Argumenten. So stammt zum Beispiel der Feinstaubausstoß gar nicht hauptsächlich aus den Motoren, sondern vom Reifenabrieb und den Bremsen. Elektroautos sind also davon genauso betroffen, was aber die Politik geflissentlich ignoriert. Unbeirrt verkauft sie den Elektroantrieb als allein selig machende Technologie, obwohl hier das CO₂ eben aus den Schornsteinen der stromerzeugenden Gas- und Kohlekraftwerke kommt. Schon allein die Batterien verursachen massive Umweltprobleme bei Herstellung und Entsorgung. Sie bringen uns zusätzlich in eine gefährliche Abhängigkeit von China, das Deutschland ein Viertel des für die Herstellung benötigten Lithiums liefert.
Noch ist Zeit, Deutschlands wichtigste Industrie vor dem Kollaps zu retten. Immerhin hängen direkt oder indirekt fast zwei Millionen bzw. rund vier Prozent aller Arbeitsplätze von ihr ab. Dazu müßten aber nicht nur die Politiker, sondern auch die Konzerne und ihre Verbände zurück zur Vernunft finden. Die inzwischen bei VW drohenden Entlassungen und Werksschließungen sollten dazu der letzte Warnschuß gewesen sein. Wir können nicht im Alleingang das Weltklima retten, sagt auch der frühere Ifo-Chef Hans-Werner Sinn. „Deutschland richtet seine eigene Industrie zugrunde. Das werden andere Länder begrüßen, aber nicht kopieren“, warnte er kürzlich in der NZZ. „Klimaneutralität“ der EU nutze gar nichts, wenn die hier ersparten fossilen Energieträger dann eben anderswo auf der Welt verbrannt werden. Das aber sei ökonomisch zu erwarten, weil die Ölscheichs kein Interesse daran haben könnten, ihre Bodenschätze ungenutzt zu lassen.
Aber auch in anderer Hinsicht müßte wieder mehr ökonomisches Denken in die Chefetagen von Mercedes, BMW & Co einziehen. Die Idee einer „neuen Mobilität“, wo fahrerlose Taxis, Carsharing und ein damit ideal vernetzter öffentlicher Nahverkehr das eigene Automobil ersetzen, mag ja irgendwann Realität werden. Aber einstweilen bleibt das eher die Wunschwelt urbaner Eliten, zu denen die Manager und die von ihnen beauftragten Zukunftsforscher selbst gehören. Das gemeine Volk hat derweil ganz andere Sorgen und will vor allem selbstbestimmt und zu bezahlbaren Kosten von A nach B fahren. Dafür gibt es aber außerhalb der Großstädte zum eigenen Auto bislang keine realistische Alternative. Auch die überall aus dem Boden sprießenden Fahrradstraßen und -wege können darüber nicht hinwegtäuschen. Sie werden hauptsächlich von Freizeitsportlern und radelnden Rentnergruppen genutzt, und nicht etwa von Berufspendlern oder einkaufenden Hausfrauen. Nach wie vor entfallen rund 80 Prozent der Verkehrsleistung im Personenverkehr auf das Auto. Der objektive Nutzen etwa der zu Unrecht verschrienen SUVs ist tatsächlich hoch. Gerade von Frauen werden sie als sichere, geräumige und komfortable Transportmittel für sich und ihre Kinder geschätzt. Nicht umsonst sind SUVs mit über 30 Prozent Anteil das stärkste Segment in der Zulassungsstatistik.
Der Markt lügt eben nicht, im Gegensatz zu politischen Umfragen, wo die Leute sich in ihren Antworten oft selbst betrügen. Nur wenn die deutsche Automobilindustrie sich darauf besinnt und die Politik ihr die nötigen Freiräume wieder zurückgibt, wird sie eine Chance haben, ihre frühere Spitzenposition im globalen Wettbewerb zurückzugewinnen.