© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/24 / 13. September 2024

Ländersache: Sachsen-Anhalt
Wieder brennt’s am Brocken
Paul Leonhard

Es ist ein gespenstischer Anblick: ein Wald aus abgestorbenen Bäumen, darin rote Feuersäulen, schwarzer und weißer Rauch, davor eine kleine Eisenbahn und über dem Horrorszenario kleine Flugzeuge und Bundeswehr-Hubschrauber, die im Minutentakt tonnenweise Wasser abwerfen.

Wieder einmal mußten am Brocken Brände gelöscht werden, offenbar an mehreren schwer zugänglichen Stellen gleichzeitig ausgebrochen. Die „kleinen Feuer schlossen sich schnell zu einer 1.000 Meter langen Flammenwand zusammen“, schreibt das Feuerwehrmagazin in seiner Onlineausgabe. Die Brandstelle habe an einem Nebenhügel des höchsten Berges Norddeutschlands gelegen, und viele abgestorbene Baumstämme hätten verhindert, daß die Feuerwehrleute zum Löschen direkt an den Brandherd gelangten. „Die Erreichbarkeit am Brocken ist für uns immer das größte Problem“, wird Kai-Uwe Lohse, Kreisbrandmeister im zu Sachsen-Anhalt gehörenden Landkreis Harz, zitiert. Vier Löschflugzeuge und acht Hubschrauber waren, soweit es die Wetterverhältnisse zuließen, ununterbrochen in der Luft. Das sei auch „das Maximum an Luftbrandbekämpfungsmitteln, das sich über dem Brocken koordinieren“ lasse, erklärte Lohse. Auch die Harzer Schmalspurbahn transportierte Wasser. Hauptziel der am Boden eingesetzten rund 250 Feuerwehrleute war es zu verhindern, daß sich das Feuer auf das Moor in Eckerloch ausbreitet, denn dann wäre es kaum noch beherrschbar gewesen.

Deswegen wurde dem aus der Luft abgeworfenen Löschwasser Retardant beigemischt, ein Zusatz, der in Australien oder den USA bei Vegetationsbränden eingesetzt wird. Das Mittel vermindert die Verdunstung, erhöht den Siedepunkt und zeigt durch seine Farbe, wo bereits Löschmittel aufgebracht wurde. Im Harz sollte es vor allem als „Bremse dienen und die Ausbreitung der Flammen an einer entsprechend bewässerten Schneise stoppen“, erläutert Lohse gegenüber dem Feuerwehrmagazin. Dank gut koordiniertem Einsatz und auch weil zu Wochenbeginn 30 Liter Regen fielen, konnte das Feuer eingedämmt und letztlich gelöscht werden. Man sei deutlich besser aufgestellt gewesen als vor zwei Jahren, sagte Sachsen-Anhalts Minister für Wirtschaft und Landwirtschaft, Sven Schulze (CDU). 2022 hatte es nahezu an identischer Stelle gebrannt, und die Feuerwehren hatten tagelang zu tun, um den zwölf Hektar großen Brand zu löschen. Lohse hatte damals die „desolate“ Versorgung mit Löschwasser kritisiert, mehr Schneisen und befahrbare Wege in gefährdeten Gebieten und mehr Kameras und Sensoren zur Feuerfrüherkennung gefordert.

Die Polizei sucht derweil nach der Brandursache. Während Kreisbrandmeister Lohse eine Brandstiftung nicht ausschließt, weil das Feuer an mehreren Stellen ausbrach, hält es Nationalparkchef Roland Pietsch für unwahrscheinlich, daß in dem unwegsamen Gelände acht Brände innerhalb kurzer Zeit gelegt werden können. Der Oberbürgermeister von Wernigerode, Tobias Kascha (SPD), hat unterdessen schon mal die Kosten für Schaden und Einsatz zusammengerechnet und die Summe von bis zu drei Millionen Euro als „nicht stemmbar“ für seine Stadt erklärt. Das Land soll helfen.