Bei Hitzerekorden zieht es den Berliner (West) vorwiegend an den Wannsee und den Berliner (Ost) zumeist an den Müggelsee. Für offizielle Veranstaltungen herrscht dann weniger Interesse, so daß beim „Tag der Ein- und Ausblicke“ des Bundestages am vergangenen Wochenende geringerer Andrang herrschte als erwartet. In diesem Jahr stand sogar ein Jubiläum an: Am 7. September vor 75 Jahren fand die erste Sitzung des Bundestages statt – damals noch in Bonn.
Wer trotz der Hitze den Weg zum Reichstag auf sich nahm, konnte immerhin in den Plenarsaal gehen, zu dem Besucher normalerweise keinen Zutritt haben. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) eröffnete die Veranstaltung vom Rednerpult des Plenarsaals vor recht wenigen Gästen, die sie in der „Herzkammer der Demokratie“ willkommen hieß.
Die Bundestagsausschüsse präsentierten sich, etwa der Haushaltsausschuß mit einer Podiumsdiskussion mit Vertretern aller Fraktionen. Beim zentralen Podiumsgespräch hatte eine geschickt operierende Regie die AfD ausgeschlossen, denn diskutieren sollten die Bundestagsvizepräsidentinnen Yvonne Magwas (CDU), Petra Pau (Linke) und Katrin Göring-Eckardt (Grüne). Göring-Eckardt erschien allerdings nicht.
Da der AfD bisher ein ihr laut Geschäftsordnung zustehender Vizepräsident verweigert wird, konnte infolgedessen mit keinem AfD-Vertreter diskutiert werden. Dafür wurde aber heftig über die AfD gesprochen, wobei Magwas sich überzeugt zeigte, es sei gut, „daß wir keinen Vizepräsidenten der AfD haben.“ Pau, deren Linkspartei nicht einmal mehr Fraktionsstärke hat und die deshalb dem Präsidium gar nicht angehören sollte, wies darauf hin, im Präsidium gehe es immerhin auch um die 3.000 Beschäftigten der Bundestagsverwaltung.
Damit ist ein zentraler Grund genannt, warum die anderen Fraktionen niemanden von der AfD im Präsidium haben wollen: Ein Vizepräsident der AfD hätte Einfluß auf Neueinstellungen und Beförderungen. Ohne AfD-Beteiligung bleibt es bei einer Personalpolitik, die Kandidaten und Beschäftigte mit rot-rot-grünem Hintergrund klar bevorzugt. Die CDU/CSU gilt im Seilschaften-System des Bundestages als einflußlos, Magwas als Fehlbesetzung. Wenn nach der Bundestagswahl 2025 ein CDU-Politiker neuer Bundestagspräsident werden sollte, wird er sich mit einer rot-rot-grün dominierten Verwaltung auseinanderzusetzen haben.
Gezeigt wurde den Besuchern übrigens die sonst in einem klimatisierten Tresor aufbewahrte Urschrift des Grundgesetzes, die nur bei der Vereidigung des Bundespräsidenten oder des Bundeskanzlers vom Bundestagspräsidenten gehalten wird. Bas gab zu, daß sie vor Aufregung „feuchte Hände“ gehabt habe, als Kanzler Olaf Scholz und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vereidigt wurden.
Inzwischen befindet sich die Urschrift wieder im Tresor. Hält das Ampel-Bündnis durch, bleibt sie dort auch, bis nach der Bundestagswahl die Vereidigung des Kanzlers ansteht.