© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/24 / 13. September 2024

Arbeiterkampf und Allrad-Karre
Antifa-Area: In Frankfurt profitieren Linksextremisten noch vom Wohlwollen der grünen Gründergeneration
Hinrich Rohbohm

Die Tür ist verschlossen. Sie ist mit Aufklebern und Antifa-Zeichen übersät. „Freiheit ist unregierbar!“ prangt als Slogan in schwarzer Schrift darüber. Hinter den beiden Schaufensterscheiben links und rechts davon hängen Plakate. Unterstützungsaufrufe für Anarchistinnen im Sudan, Werbung für ein Antifa-Camp in Bayern.

Eines der Plakate trägt ein Antifa-Logo. Auf ihm steht der Appell „Gegen jeden Antisemitismus!“  Verbunden mit der Mahnung am Schluß des Textes, „daß Auschwitz nie wieder sei!“ Gleichzeitig hängt ein Transparent in den Farben der Palästina-Flagge vom Dach des Hauses mit der Aufschrift „Ceasefire Now!“ – Waffenstillstand jetzt. Eine Parole, die vor allem linke Kritiker des israelischen Militäreinsatzes im Gaza-Streifen verwenden, nachdem Hamas-Terroristen am 7. Oktober vorigen Jahres mehr als tausend Israelis im Grenzgebiet ermordeten, verschleppten und zahlreiche noch immer gefangenhalten.

Bei dem Gebäude in der Leipziger Straße 91 in Fankfurt am Main handelt es sich um das ExZess, einen zentralen Treffpunkt der hiesigen Antifa. Von außen wirkt das Haus eher wie ein harmloser linker Infoladen. Ein junger Mann steht auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Er hat sein Handy gezückt, tippt eine Nachricht in das Gerät. Wenige Sekunden später öffnet jemand von innen die Tür des ExZess, und der Mann verschwindet ins Innere. Konspiratives Klingeln auf Antifa-Art.

Neben der Schmuddelecke residieren die etablierten Ökos

Hundert Meter weiter östlich kreuzt sich die Leipziger Straße mit der Mühlstraße, so daß beide  mit dem Areal dazwischen ein Dreieck bilden. Auf diese Weise verfügt das Gelände über einen zweiten Zugang mit einer anderen Adresse. Ein idealer Rückzugsort für potentielle Straftäter. Ein Metallzaun ist vor den Mühlstraßen-Eingang gebaut, auf dem mit schwarzer Schrift „Antifa-Frankfurt.org“ steht. Eine Internet-Seite, deren Betreiber laut Impressum vorgeblich in der Rosa-Luxemburg-Straße 5 in Frankfurt sitzen. Offensichtlich eine Fake-Angabe. Denn die im Impressum als Verantwortliche genannte und in Berlin beheimatete Antifaschistin Dora Schaul ist bereits seit 25 Jahren tot.

Wer also verbirgt sich hinter dem Internetauftritt mit seiner Verbindung zum ExZess? Auf den Seiten finden sich Verlinkungen zur verbotenen linksextremen Plattform linksunten.indymedia. „Wir alle sind linksunten.indymedia.org!“ solidarisieren sich die Seitenbetreiber mit der Plattform. Darüber hinaus aber auch mit den Internetauftritten von netzpolitik.org sowie mit uebermedien.de.

Diese Seiten sind keine Unbekannten in der deutschen Medienlandschaft und dort längst etabliert. Netzpolitik.org wurde 2002 vom Journalisten und Grünen-Politiker Markus Beckedahl gegründet. Beckedahl gilt als Mitgründer der Grünen Jugend in Nordrhein-Westfalen, gehörte von 2002 bis 2003 auch dem Bundesvorstand der Grünen Jugend an. 2015 ermittelte der damalige Generalbundesanwalt Harald Range gegen Beckedahl wegen Verdachts auf Landesverrat. Der seinerzeitige Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) stoppte das Vorhaben und versetzte Range kurzerhand in den einstweiligen Ruhestand, während Beckedahl heute Gremien wie dem Medienrat der Medienanstalt Berlin-Brandenburg oder dem Kuratorium der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur angehört und für das Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schreibt.

Uebermedien wiederum ist 2016 von dem Bildblog-Gründer Stefan Niggemeier und dem ehemaligen taz-Redakteur Boris Rosenkranz ins Leben gerufen worden. Niggemeier ist heute gefeierter Gast diverser Fernseh-Talkshows, Rosenkranz für die NDR-Magazine „Zapp“ und „Extra 3“ tätig.

Nur wenige hundert Meter vom ExZess entfernt befindet sich das Ökohaus. Der Weg zwischen den beiden linken Zentren ist gesäumt von Hammer-und-Sichel-Symbolen, „Fight Racism“- und „FCK AfD“-Parolen, garniert mit Erkennungszeichen der Antifa. Und doch ist man bemüht, die Milieus der beiden Häuser sauber zu trennen. Auf der einen Seite das ExZess mit seinem linken Schmuddel-Milieu. Auf der anderen das Ökohaus, die Welt der gesellschaftlich Etablierten aus der einstmals linksradikalen Szene.

Auf dem Parkplatz vor dem Gebäude der vorgeblichen Umweltschützer stehen ein Porsche, mehrere BMW-Oberklasse-Wagen, ein Mercedes, ein Audi, ein Dodge und zahlreiche SUV-Fahrzeuge. Drum herum: Werbeplakate diverser kommunistischer Gruppen. Etwa des Arbeiterbundes für den Wiederaufbau der KPD, der im Rahmen seiner „Antikriegstage“ zur Entwaffnung von Rheinmetall aufruft, an anderer Stelle zu Arbeitermärschen und zum Fest der kommunistischen Zeitschrift Rote Fahne.

Innerhalb des Ökohauses geht es gediegener zu. Ärztehäuser und Anwaltskanzleien haben hier ebenso ihren Sitz wie ein Restaurant, ein Kindergarten oder das Verbraucher-Magazin Öko-Test. Die Zeitschrift war Mitte der achtziger Jahre vom DKP-Aktivisten Jürgen Räuschel gegründet worden, fungiert heute als Aktiengesellschaft mit der SPD-eigenen Deutschen Druck- und Verlagsgesellschaft als Hauptaktionär. Auch Caro-Druck, die Druckerei der taz, hatte hier mal ihren Sitz. Eigentümer des Ökohauses ist nach wie vor die Kühl Verwaltung GmbH & Co Verlags KG. Ein Unternehmen, das aus dem ehemaligen Kommunistischen Bund Westdeutschland (KBW) hervorging und dessen einstige Zentralkomitee-Mitglieder zu Kommanditisten der Kühl KG wurden. Geschäftsführer ist bis heute Gerd Heinemann, einst ein führender Kader des KBW, dem vormals prominente Politiker wie die Grünen Winfried Kretschmann, Reinhard Bütikofer, Krista Sager oder Ralf Fücks angehörten.

Den Grünen hat die Antifa auch einen weiteren zentralen Treffpunkt der linksextremistischen Szene zu verdanken: das „Klapperfeld“. Ein ehemaliges Polizeigefängnis im Herzen der Stadt, in unmittelbarer Nähe zur Einkaufsmeile Zeil gelegen. 2009 bot die damalige grüne Bildungsdezernentin Jutta Ebeling die Immobilie der Hausbesetzer-Szene zur kostenlosen Nutzung am. Die Besetzer nahmen dankend an, entwickelten das „Klapperfeld“ zum laut Verfassungsschutz bedeutendsten Anlaufpunkt der linksautonomen Szene in Hessen, das der Behörde zufolge für „potentielle Räume linksextremistischer Radikalisierung eine übergeordnete Rolle“ spiele.

So würde das „Klapperfeld“ linken Aktivisten einen „weitgehend unkontrollierbaren Raum“ bieten und zudem bei Demonstrationen als „sichere Rückzugs- und Versorgungsorte“ genutzt. Und daher nutzen Linksextremisten hier eine Immobilie, die sich in unmittelbarer Nähe zu Polizei und Frankfurter Justizbehörden befindet. Wie zur Verhöhnung dieser benachbarten Institutionen des Rechtsstaats hängen hier an dem Gebäude Transparente mit Aufschriften wie „Free All Antifas“ oder „Free Maja“, eine Anspielung auf ein derzeit inhaftiertes Mitglied der linksextremen „Hammerbande“. 

Symbole, die die tatsächlichen Machtverhältnisse in der von den Grünen dominierten Stadt kaum besser widerspiegeln könnten. An einem Toreingang des „Klapperfeld“-Gebäudes steht ein Graffito: „Wer am lautesten schreibt, hat recht?“ Eine Frage, die man auch der Öko-Partei stellen könnte.


Lesen Sie in Teil 10 der Antifa-Area-Reportagereihe die Hintergründe über die linken Zentren in Bochum.

Fotos: Linke Gruppen demonstrieren in der Bankenmetropole am Main gegen den Kapitalismus (2021): „Weitgehend unkontrollierbarer Raum“, Frankfurts Szenetreffpunkt „ExZess“, Plakat und Parole an Hauswänden: „Übergeordnete Rolle für linksextremistische Radikalisierung“