© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/24 / 13. September 2024

Lindners Umsatzsteuerpläne machen Musikschulen angst und bange
Das wohlstümperierte Papier
Florian Werner

Haben Sie schon mal ein Weitwurffagott gesehen? Oder eine Mogelorgel? Nein? Können Sie auch nicht, weil es diese Instrumente gar nicht gibt. Musikschullehrer, die damit Unterricht anböten, hätten zu Recht das Nachsehen. Für alle anderen muß es einem leid tun, wenn die Ampel sie bald als umsatzsteuerpflichtig deklariert. So steht es zumindest im Entwurf des Jahressteuergesetzes 2024, das nun im Bundestag landet. Das Gesetz soll die Anerkennung von Bildungsleistungen vereinfachen. So will es die EU, die auf Nachbesserungen im deutschen Recht gedrängt hatte – auch im Sinne des Bürokratieabbaus. Doch was Christian Lindner als Antwort komponiert hat, ist ein Papier voll schiefer Zwischentöne.

Nicht zuletzt, weil der Entwurf zwischen einem Musikunterricht zu Bildungszwecken und einem zum Zeitvertreib unterscheidet – der eine steuerpflichtig, der andere nicht. „Ob die erbrachten Unterrichtsleistungen den Charakter einer bloßen Freizeitgestaltung haben, kann nur im jeweiligen Einzelfall entschieden werden“, heißt es in dem Dokument. Sprich: Irgendwer im Finanzamt soll darüber entscheiden, ob zweimal die Woche Tuba – Instrument des Jahres – schon als Berufsvorbereitung zählen oder nicht. Zwar werden öffentliche Musikschulen pauschal von dieser Regelung ausgenommen.

Dafür zittern die Freien um so mehr. Eine Verteuerung des Unterrichts um 19 Prozent Umsatzsteuer würde zu einer Mehrbelastung der Schüler und somit zu Abmeldungen führen, zeigte sich der Bundesverband der freien Musikschulen zuletzt überzeugt. „Der Zugang zu Bildung wird aus finanziellen Gründen erschwert.“ Auch die Generalsekretärin des Deutschen Musikrates, Antje Valentin, äußerte sich besorgt. Die Realität an den Finanzämtern sei, daß Musikunterricht oft nur unter Freizeit geführt werde. Tatsächlich: Im thüringischen Gebesee wurde ein Klavierlehrer jüngst zur Nachzahlung einer fünfstelligen Steuersumme verdonnert. Der Pädagoge geht nun vor Gericht.

Eine Klagewelle droht, sollte sein Berufsstand nachziehen. „Das ist genau das Gegenteil von Bürokratie-Abbau!“, warnt Valentin. Welches Instrument die Bundesregierung mit ihrem Vorstoß spielt, sollte klar sein: die Arschgeige.


www.musikschule-intern.de/keine-mehrwertsteuer-auf-musikunterricht