© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/24 / 13. September 2024

Ein Skandal, der Europa erschüttert
Katargate: Brüssel und der steigende Einfluß des Islamismus / Zwei Bücher bringen Licht ins Dunkel von Korruption und Blauäugigkeit
Albrecht Rothacher

Die Mischung ist höchst brisant: „Katargate: EU-Korruption und Islamismus“. Hierzu sind zwei ausgezeichnet und unpolemisch geschriebene, hervorragend recherchierte Bücher, die sich trefflich ergänzen, erschienen. Die beiden Le Soir-Journalisten Louis Colart und Joël Matriche stellen anhand ihres Zugangs zu den staatsanwaltlichen Unterlagen der belgischen Polizei und des Geheimdienstes ziemlich lückenlos das kleine, aber höchst einflußreiche Netzwerk von Katar gekaufter meist italo-wallonischer sozialistischer EU-Abgeordneter und europäischer Gewerkschaftsbosse mit gutmenschlichen NGOs als Geldwäscheanlagen dar.

Ja, es gibt erfreulicherweise noch eine Handvoll kritisch recherchierender Journalisten in Brüssel, die nicht nur die Pressemitteilungen der Kommission abschreiben und wohlwollend kommentieren. Die vormalige EU-Abgeordnete Patricia Chagnon (RN) setzt diesen Korruptionsskandal, der aus katarischer Sicht mit 1,6 Millionen Euro nur „Peanuts“ aus der Portokasse ist, in den Kontext der von ihr wohldokumentierten Welt-Islamisierungsstrategie der Muslim-Bruderschaften, deren Hauptsponsor ebenfalls das Wüstenemirat Katar ist.

Das große übergeordnete Ziel: die Islamisierung Europas

Aber der Reihe nach. Um die Enthüllungen des Katargate vom Dezember 2022, als der Fund von Bargeld-Sporttaschen die ebenso schöne wie ruchlose sozialistische Vizepräsidentin des EU-Parlaments (EP) Eva Kaili aus Thessaloniki den politischen Kopf kostete, und als ihr Vater mit 720.000 Euro im Rollkoffer in Brüssel erwischt wurde, sie für einige Wochen in eine sehr unwirtliche belgische U-Haft wanderte, ist es seither sehr still geworden. 

Hauptfigur des Netzwerkes war der sozialistische Gewerkschaftsfunktionär Antonio Panzeri, der nach seinem Ausscheiden aus dem EP die trefflich benannte NGO „Fight Impunity“ gründete, die im Verbund mit der NGO „No Peace without Justice“, deren Beratungsgremium gleichfalls mit linken Euro-Promis besetzt war, den Geldtransfer aus Katar und Marokko betrieb. Sein umtriebiger Assistent Francesco Giorgi war der Lebenspartner der glamourösen Eva Kaili. Mit im Bunde waren die Abgeordneten Andrea Cozzolino, Marc Tarabella, Maria Arena, Lara Comi (als Berlusconi-Jüngerin von der Forza Italia die einzige Nicht-Sozialistin) sowie die Gewerkschaftsbonzen Luca Visentini und Susanna Camusso vom Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB). 

Sie alle stellten dem Emirat Katar auftragsgemäß im Unterausschuß für Menschenrechte (DROI) des EU-Parlaments, den sie kontrollierten, der normalerweise allmonatlich lautstarke Resolutionen zu jedem Menschenrechtsthema unter der Sonne verfaßt. Dies indem sie mit abgesprochenen Rollen Persilscheine ausstellten und die Feinde des in Katar herrschenden Al-Thani-Klans, nämlich Saudi-Arabien, Bahrain, die Vereinigten Emirate, Algerien und Ägypten nach Kräften schmähten. Letztere begrüßten die angeblichen Menschenrechtsreformen in Katar und die vorgebliche Abschaffung des Systems der Kalafa- Sklavenarbeit, die beim Bau der WM-Stadien im Jahr 2022 bis zu 6.500 Todesopfer gefordert hatte. Die mitte-links-grüne Mehrheit des EP stimmte jenen allmonatlichen Dringlichkeitsresolutionen der kleinen verschworenen Clique in Straßburg routinemäßig zu. Größere Länder wie die USA, Rußland und China interessieren EP-Resolutionen ohnehin nicht, schreiben die Autoren.

Daß auch Gelder, Freiflüge, Gratisurlaube und großzügige Geschenke aus Katar, Marokko und Mauretanien auch an die Kommissionshierarchie – zum Beispiel für das höchst dubiose Luftverkehrsabkommen namens CATA (Comprehensive Air Transport Agreement) zugunsten von Qatar Airways – flossen, interessiert die Autoren weniger. Dasselbe gilt für die Gelder des marokkanischen Geheimdienst DGED.

Die Französin Patricia Chagnon, Rassemblement National, setzt Katargate in einen größeren Zusammenhang, nämlich der seit dem Doha-Gipfel von 2000 expressis verbis beschlossenen Strategie der Islamisierung Europas und des Westens. Der Katargate-Skandal des Europaparlaments ist also nur ein lästiger Puzzlestein nützlicher Idioten. So gab es im Jahr 2000 in Doha einen islamistischen Gipfel mit dem Plan der Islamisierung Europas. Jenes Protokoll von Doha wurde von 50 islamischen Ländern unterschrieben, schwarz auf weiß im Jahr 2009 veröffentlicht (im Anhang des Buches ist es auf 120 Seiten wiedergegeben).

 Es ist also keine Verschwörungstheorie, sondern sieht in politisch korrektem Jargon die Entwicklung und Förderung islamischer Parallelgesellschaften in Europa vor, den Bau von Großmoscheen als Kultur- und Bildungszentren und die Ablehnung jeglicher Assimilation von Muslimen in die als minderwertig beschriebenen  westlichen Werte, die Unkultur und Dekadenz der Gastnationen. Koordiniert wird jene Strategie von einer der UNESCO nachgebildeten Organisation der islamischen Welt für Bildung, Wissenschaft und Kultur (ICESCO) mit Sitz in Rabat (Marokko) mit 54 Mitgliedsländern, die für die Förderung islamischer Bildung, Wissenschaft und Kultur vor allem in der westlichen Diaspora zuständig ist. 

Ziel ist es zuerst die kulturelle Hegemonie vor der politischen Machtergreifung herzustellen – die Unterwanderung der staatlichen und kulturellen Institutionen durch eine Taktik von Druck, Überredung und letztlich Terror, und die ständige Agitation gegen „Islamophobie“. Aus Sicht der fundamentalistischen Muslimbrüder wird mit der massiven finanziellen Unterstützung durch Katar dabei eine panislamische Einheit gepredigt, einer Religion, die eigentlich keine bindende Organisation und Lehrmeinung kennt. 

Die Rolle Katars bleibt stets zwiespältig

Ziel ist der Sieg des koranischen Rechts, der Scharia, einschließlich seiner Körperstrafen, der Amputationen, des Köpfens, der Steinigungen, der Vielweiberei und der Minderwertigkeit der Frau. Schon jetzt werden innermuslimische Streitigkeiten in Frankreich, zum Beispiel zwischen Tschetschenen und Maghrebinern, von Schiedsgerichten nach der Scharia und dem islamischen Gewohnheitsrecht geregelt. Mit einem Netzwerk von Vereinen, Kulturzentren, Jugend- und Sportklubs sollen wie im „Kalifat von Brüssel“, den Problemvierteln von Molenbeek, Schaerbeek und St. Josse die örtliche Politik, Justiz und Verwaltung unterwandert werden, um die Integration, den Glaubensverlust und die Assimilation durch gestärkte Gegengesellschaften zu verhindern. 

Dabei helfen die in Ägypten und Algerien verbotenen Muslimbrüder bei Attentaten als Organisatoren und Rechtfertiger, führen sie allerdings niemals direkt aus. Sie wurden unter dem laizistisch-sozialistischen und panarabischen Nationalisten Nasser aus Ägypten in die Golfstaaten vertrieben, wo sie unter jenen nomadischen ungebildeten Wüstensöhnen, die plötzlich mit Petrodollars reich geworden waren, als „Intellektuelle“ der islamistischen Wiedererweckung im Staatsapparat und im Bildungswesen unterkamen. Der katarische Sender Al-Jazeera wurde zu ihrem weltweiten Propagandakanal.

Die Rolle Katars blieb dabei stets zwiespältig. Einerseits ein Bündnispartner der USA im Golf und Konkurrent gegen den Wahhabismus der verfeindeten Saudis, andererseits Großsponsor der Muslimbrüder, der Hisbollah, von Hamas und der Taliban als „legitimen Widerstandsbewegungen“. Mit dem Ergebnis, daß die Saudis, Ägypten, Bahrain und die Vereinigten Emirate alle Beziehungen zu Katar 2017 wegen seiner Unterstützung des Terrorismus abbrachen. Katar reagierte, indem es sich Recep Tayyip Erdoğans Türkei annäherte und als „soft diplomacy“ Groß-Sportereignisse in jenes ziemlich unsportliche – von Kamelrennen abgesehen – veranstaltete. So kostete die Fußball Weltmeisterschaft 2022, einschließlich des Stimmenkaufs bei der FIFA anno 2010, allein 200 Milliarden Dollar. 

Dabei verfolgten Katar und sein Al-Thani-Klan die gängige Doktrin des Dschihad-Theoretikers Al-Suri: dem übermächtigen westlichen Feind (immerhin hat Katar nur 300.000 eigentliche Bürger) Tausende kleine Wunden durch dezentralisierte Aktionen beibringen, bis er destabilisiert zusammenbricht, während gleichzeitig die Grundlagen der demokratischen Systeme untergraben und die islamischen Identitäten der Migranten gestärkt werden. 

Statt einer direkten Konfrontation empfiehlt er einen Zyklus spektakulärer Provokationen, von Viktimisierungen und Mobilisierungen. Nützliche Idioten sind für ihn jene  westlichen „woke“ Ideologen mit ihren postkolonialen Schuld- und Selbstbezichtigungskomplexen. Klassisch zum Beispiel linke Studentenverbände und „SOS Racisme“ mit ihren Diskriminierungsbezichtigungen und dem sogenannten „Recht auf Unterschied“,  damit der Nicht-Assimilation, was genau der Strategie der Moslembrüder entspricht. 

Hilfreich ist dabei das Bündnis mit dem europäischen Linksradikalismus, das eher antiklerikal gestimmt ist und die Arbeiterklasse als Wähler bereits verloren hat. So buhlen in Frankreich der linkssozialistische Chauvinist Jean-Luc Mélenchon und in Deutschland und in Österreich die Grünen und Sozialisten hemmungslos um die Stimmen der Muslime. Dabei versuchen sie die Meinungsfreiheit gegen Islamkritiker durch die Kriminalisierung der sogenannten „Islamophobie“ einzuschränken. Denn schon seit 2011 versucht die Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OCI) in einem „Prozeß von Istanbul“ jede Kritik des Islams mit zunehmendem Erfolg zu kriminalisieren.

All dies wird von der „Qatar Charity“ mit Milliardenbeträgen finanziert. Schließlich verfügt der Staatsfonds über bescheidene 450 Milliarden US-Dollar an Spielgeld. 

Unterstützt wird all dies von der EU. Schon der Slogan „Vereint in Vielfalt“ wendet sich gegen die Universalität europäischer Werte und akzeptiert die separaten Werte des Korans und seiner Überlieferung, der Sunna. So finanzierte die EU durch den „Islamic Relief“ die Terrororganisation Hamas sowie im Kampf gegen die Islamophobie mit 67 Millionen Euro (2007–2022) auch Organisationen, die den Muslimbrüdern nahestehen. Auffallend ist sicherlich auch die PRKampagne des Europarats in Straßburg, der unter dem Motto „Celebrate Diversity“ im Jahr 2021 plakatieren ließ: „Freedom is in Hijab“. Die Frauen nicht nur im Iran sehen dies allerdings deutlich anders.

Die Bücher von Patricia Chagnon, Louis Colart und Joël Matriche sind also absolut lesenswert. Hoffentlich gibt es bald auch deutsche Übersetzungen.

Patricia Chagnon: Qatargate. The Result of Over Twenty Years of Interference, Ideological, Financial, and ­Electoral ­Compliance. Brüssel, 2024, Broschüre, 283 Seiten, unter https://qatar-gate.fr ­gratis erhältlich



Louis Colart, Joël Matriche: Qatargate. Enquête et révélations sur le scandale qui ébranle l’Europe. Harper Collins Frankreich, Paris 2024, brosch., 215 Seiten, 20,90 Euro


Foto: Tamim bin Hamad Al Thani (l.), Emir von Katar, freut sich über die Fußball-WM  in Katar 2022 / Eva Kaili, Ex-Vizepräsidentin des EU-Parlaments, stolperte über Katargate (rechtes Foto): Ein Mix aus EU-Korruption und Islamismus