© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 38/24 / 13. September 2024

Keine Demokratie in einer Restaurantküche!
Kino I: Bei der Komödie „Immer wieder Dienstag“ kommen alle auf ihre Kosten, die Kochen und Klischees mögen
Dietmar Mehrens

Und da ist er auch schon, der nächste Film, der mit der Darstellung von Koch- und Backkunst und den auf diese Weise produzierten Köstlichkeiten beim vorwiegend weiblichen Publikum zu punkten versucht und das garantiert auch schafft, sofern eben diese Zielgruppe die bereits in der Frühphase der Komödie besorgniserregend hohen Werte auf der Klischee-pro-Filmminute-Skala großzügig zu ignorieren bereit ist. „Love Sarah – Liebe ist die wichtigste Zutat“ (2020) brachte während der Covid-Krise auf andere Gedanken. „Sterne zum Dessert“ (2023) eiferte letztes Jahr zu Weihnachten dem großen Vorbild „Chocolat“ (2000) nach. Und jetzt sorgt der Schweden-Import „Immer wieder Dienstag“ („Tisdagsklubben“) für die nächste Ladung Leckereien.

Schon die ersten Szenen machen deutlich, worauf es beim Filmdreh ankam: nicht aufs Drehbuch, sondern aufs Kochbuch. Gezeigt werden lauter Delikatessen, überwiegend vegan, versteht sich, appetitlich angerichtet und auf schön dekorierten Tabletts serviert. Gereicht werden sie zum großen Gartenlaubenfest aus Anlaß des 40. Hochzeitstags von Karin (Marie Richardson) und Sten (Björn Kjellman).

Drei Nervensägen sind besser als ein untreuer Ehemann

Doch dann das: Während Sten am Gebälk des Eigenheims seine auch in vorgerücktem Alter noch beachtliche Gelenkigkeit unter Beweis stellt, entdeckt seine Gattin in der Küche Möpse, die leider nicht zum Inventar der Ikea-Inneneinrichtung gehören, sondern substantielle Komponenten einer sittenwidrigen Kurznachricht auf Stens Mobilgerät sind. Während Karin aus allen Wolken fällt, fällt der Ertappte lediglich vom Dachbalken. Beides schmerzhaft – und ein schönes Anschauungsbeispiel für das, was Dramaturgen und Drehbuchautoren unter Fallhöhe verstehen.

Nun bekommen wenigstens alle, was sie verdienen: Sten landet im Krankenhaus und Karin im Kochkurs. Sich im Kochen zu professionalisieren, erfährt der hoffentlich gnädig gestimmte Zuschauer, davon hat Karin nämlich schon als Kind geträumt. Nur leider seien ihr die Ehe mit Sten und die frühe Schwangerschaft mit Töchterchen Fredrika in die Quere gekommen, dem Sorgenkind der Familie. Ihren 40. Geburtstag mag Fredrika (Ida Engvoll) nicht feiern. Zwar ist sie physisch vollkommen und psychisch weitgehend gesund, aber sie hat keinen Mann und leidet mehr darunter, als sie in der modernen schwedischen Regenbogengesellschaft klagen kann.

Apropos Regenbogen: Selbstverständlich wird im Kochkurs, dank zweier im Duett kochender Männer, die von Claudia Roth und ihrem Diversitäts- und Vielfaltsministerium erwünschte Homoquote pflichtschuldig erfüllt (oder wie es amtlich korrekt die Antidiskriminierungsstelle von Roths Busenfreundin Ferda Ataman formuliert: die adäquate „Abbildung von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in der Filmbranche“). Das hilft auch beim Verleih. Der Zuschauer lernt unterdes: „Es gibt keine Demokratie in der Restaurantküche“, sondern nur das einzig richtige Rezept! Da ist der Chefkoch gar nicht mal so tolerant. 

Auslösendes Moment für die Idee mit dem Kochkurs ist Monika (Carina Johansson), die einstige Nervensäge aus Karins Parallelklasse, die ihr, natürlich rein zufällig, gerade jetzt, im Moment der Ehekrise, über den Weg läuft. Und eines dürfte klar sein: Drei Nervensägen sind immer noch besser als ein untreuer Ehemann. Nach einem weinseligen gemeinsamen Abend beschließen Monika und Karin, ergänzt um Karins Freundin Pia, ab sofort dienstags den Kurs bei Spitzenkoch Henrik Moliner (Peter Stormare) zu besuchen. Der gibt sich anfangs schroff und schwermütig, aber wäre doch gelacht, wenn sich hinter der zugeknöpften Fassade nicht doch ein kleiner schwedischer Schürzenjäger verbergen würde! Frauenfilme ohne Amouren sind schließlich wie ein Soufflé ohne Ei – da fällt alles in sich zusammen. Eine Gefahr, die bei dem klischeegesättigten Drehbuch von Anna Fredriksson überdurchschnittlich hoch ist.

Da ja über eineinhalb Stunden Film zu füllen sind, entsteht während des Kochkurses die glorreiche Idee, einen kleinen Lieferservice ins Leben zu rufen und so die Kochkunst zur Grundlage einer eigenen beruflichen Existenz der drei Damen vom Fünf-Sterne-Grill zu machen. Es fehlt nur an der Kohle für die Anschubfinanzierung. Auf Fredrikas Geburtstagsfeier, bei der auch Kochkönig und Schwerenöter Henrik auftaucht, kreuzen sich schließlich alle Handlungsfäden. Und wie in einem überhitzten Dampfkochtopf entlädt sich gleich bei mehreren Beteiligten ein Überdruck, der stärker auf ihren Gemütern lastete, als sie geahnt haben.

Als „Wohlfühl-Komödie, die nicht nur wegen perfekt in Szene gesetzter kulinarischer Köstlichkeiten ein sinnliches Vergnügen ist“, beschreibt die PR-Agentur des deutschen Verleihs den Film von Regisseurin Annika Appelin. Wer wollte da widersprechen?

Foto: Karin (Marie Richardson) mit Spitzenkoch Henrik Moliner (Peter Stormare)

Kinostart ist am 12. September 2024