Am 16. September 1892 als Sohn eines Arztes aus baltischer Familie schwedischer Herkunft im zum Zarenreich gehörenden lettischen Riga geboren, studierte Werner Bergengruen in Lübeck und Marburg, ohne jedoch zu einem Abschluß zu gelangen. Der Notwendigkeit einer Berufswahl enthoben, meldete er sich 1914 freiwillig zum deutschen Heer. An den anschließenden Baltikumkämpfen gegen die Rote Armee und baltisch-nationalistische Verbände nahm er als Stoßtruppführer der Baltischen Landwehr teil. Während die alte Welt der Baltendeutschen dem Untergang geweiht war, begann er in den 1920er Jahren mit der Herausgabe von Zeitschriften, die sich mit Fragen des deutschen Ostens befaßten. Als freier Schriftsteller und Übersetzer im Berlin der Zwischenkriegszeit schlug er sich eine Zeitlang mit Reiseglossen und Übersetzungen der russischen Realisten durch.
Offenbarmachen ewiger Ordnungen
1927 erschien „Rodenstein“, eine Sammlung von Legenden und Sagen, die ihn bei einer größeren Leserschaft bekannt machte. Autobiographische Züge ließen sich in dem Roman „Der goldene Griffel“ (1931) erkennen, zu seinem meistgelesenen Buch wurde „Der Großtyrann und das Gericht“ (1935), in dem der Tyrann die Suche nach dem Mörder, der er selber ist, zum Anlaß einer Prüfung aller seiner Untertanen nimmt, mit Ausnahme eines Färbers, der sich, aus echter Religiosität und um der unheilvollen Verwirrung ein Ende zu setzen, selbst der Tat bezichtigt und so den wahren Schuldigen zum Geständnis bewegt. Ein Jahr später konvertierte der Lutheraner als „Ergebnis einer langsamen, organischen Entwicklung“ und „aus Liebe zur Kirche, aus Liebe zu den Sakramenten, aus Liebe zu den Heiligen“ zum Katholizismus.
Wiederum ein Jahr später erhielt er die offizielle Bestätigung seiner Entfernung aus der Reichsschrifttumskammer aufgrund seiner „starken konfessionellen Bindung“ und seinem Bekenntnis zu einem „Konservatismus des alten Wahren“. Bergengruen verstand den Beruf des Dichters in erster Linie im Offenbarmachen ewiger Ordnungen und sah sich als den „letzten Balten, den letzten Kaiserlichen, den letzten Parteigänger der Freiheit“. Die alle Lebensbereiche ergreifenden neuzeitlichen Prozesse der Mechanisierung, Normierung und Nivellierung beklagte er als „gänzliche Unwiedererkennbarkeit der Welt“, der er als Letzter einer untergegangenen Zeit seine Behauptung der Individualität entgegensetzen wollte.
In den fünfziger und sechziger Jahren trat er als Lyriker mit Gedichtsammlungen sowie mit den um Schuld und Sühne kreisenden Roman „Das Feuerzeichen“ (1949) und der Trilogie „Der letzte Rittmeister“ (1952–62)hervor. Seine Bestimmung des Glaubens als existentiellen „Sprung über den eigenen Schatten“ ließ ihn auch dem II. Vaticanum gegenüber ablehnend bleiben. Glücklicherweise blieb ihm die „Kulturrevolution“ von 1967/68 erspart. In Baden-Baden verstarb der Dichter am 4. September 1964 im Alter von 71 Jahren.