© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 39/24 / 20. September 2024

Bei Ärger mit den „Cops“
Antifa-Area: Im Ruhrgebiet stehen viele Initiativen ratsuchenden Radikalen zur Seite – ob beim veganen Picknick oder in der linksextremen Roten Hilfe / Manches gedeiht dank Steuergeld
Hinrich Rohbohm

Ein großer schwarzer Stern hängt über dem Eingang. Darunter befindet sich ein Transparent: „Bahnhof Langendreer. Gemeinsam Handeln. Gegen Antisemitismus, Rassismus & Rechten Haß“. Offiziell handelt es sich bei dem 1908 errichteten ehemaligen Empfangsgebäude des Bahnhofs Langendreer im Bochumer Wallbaumweg 108 um ein weiteres jener zahlreichen Kulturzentren, in denen Partys, Konzerte, Kinoabende oder Theateraufführungen stattfinden. Inoffiziell verbirgt sich hinter der von der Stadt finanzierten Immobilie ein Treffpunkt der linksradikalen Szene.

Es ist ein Bau, der zunächst nicht wie eines dieser typischen Antifa-Zentren wirkt. Wenig linke Parolen, wenig Graffiti-Schmierereien. Lediglich ein paar „Aufs Maul“- und „Antifa“ Aufkleber am Haus und in der unmittelbaren Umgebung zeugen davon, daß sich hier regelmäßig gewaltbereite linke Gruppen zu Veranstaltungen treffen.

Auch im Gebäude deutet zunächst wenig auf ein linksradikales Zentrum hin. Auf die Frage, wo genau sich denn die Antifa treffe, bleibt man zunächst schmallippig. „Wer will denn das wissen“, antwortet ein südländisch aussehender Mann um die 40 mißtrauisch. Ob er ein Besucher ist, ein Mitarbeiter oder gar ein Verantwortlicher will er nicht sagen. Erst als man inkognito ein positives Interesse an solchen Treffen suggeriert, löst sich bei ihm die anfängliche Nervosität und Verschwiegenheit. „Wir sind ein soziokulturelles Zentrum. Hier treffen sich die verschiedensten Gruppen zu allen möglichen Veranstaltungen, Künstler, Freigeister“, spult er zunächst eine Standard-Antwort ab. Und ja, „auch die Antifa kommt hier zusammen. Aber das ist bei uns sowieso eine Grundhaltung. Rassismus hat hier keinen Platz und darf in unserer Gesellschaft keinen Platz haben“, spult der Mann wie auswendig gelernt ab. 

Beim Thema Antisemitismus nimmt man es hingegen nicht ganz so genau. Erst vor einigen Wochen geriet das „Kulturzentrum“ in die Schlagzeilen, als es in Zusammenarbeit mit dem „Arbeitskreis Palästina Bochum“ die antisemitische Ausstellung „Guernica Gaza“ des palästinensischen Künstlers Mohammed Al-Hawajri zeigen wollte. Kritiker werfen Al-Hawajri vor, er würde in seinen Werken das israelische Militär mit den Nationalsozialisten gleichsetzen. Das ging offenbar sogar der Bochumer SPD zu weit. „Diese Ausstellung ist mehr als kritisch zu sehen, und wir müssen in diesem Zusammenhang dringend über die städtische Förderung des Bahnhofes Langendreer sprechen“, warnte deren Vorsitzender Burkart Jentsch vor dem Hintergrund, daß die Ausstellung schon bei der Documenta 15 in Kassel für einen Skandal gesorgt hatte und ein dort eingesetztes Expertengremium die Werke als antisemitisch bezeichnete. Der Hinweis, die finanzielle Förderung des linksradikalen Zentrums zu überdenken, zeigten offenbar Wirkung. Die Ausstellung wurde abgeblasen. 

Doch nicht nur der Bahnhof von Bochum-Langendreer dient der Antifa in der Stadt als Anlaufpunkt. Auch das sogenannte Soziale Zentrum gilt in der Ruhr-Metropole als Hort linksradikaler Aktiviäten. Daß von der JUNGEN FREIHEIT verdeckt vorgespielte Interesse daran löst jedenfalls überraschte Freude aus: „Wir haben hier ein offenes Antifa-Café“, erklärt eine junge Frau mit Nasenpiercing euphorisch in der Hoffnung darauf, einen potentiellen neuen Aktivisten vor sich zu haben. Auch Fridays for Future komme hier regelmäßig zu Plenumssitzungen zusammen. Ebenso wie die gewaltbereite und von der Interventionistischen Linken gesteuerte klimaradikale Gruppe Ende Gelände. „Viele sind in mehreren Gruppen dabei, das vermischt sich oft“, sagt die Frau. Man habe auch einen „Klima-Tresen“, gibt sie freudig weitere Einblicke ins Innenleben des Zentrums. Ganz besonders möchte sie ein „veganes Picknick“ ans Herz legen, das sich großer Beliebtheit erfreue.

Mehr als dieses kulinarische Angebot interessieren uns die „Beratungstermine“, von denen die Frau ebenfalls spricht und die in dem Sozialen Zentrum stattfinden würden. Handelt es sich um Beratungen zur Zubereitung von veganem Essen? Die Frau lacht und verneint. „Das ist politisch. Wenn jemand Ärger mit den Cops hat“, schildert sie. Es handelt sich um „Sprechstunden der Roten Hilfe“.

Ärger mit den Cops, also der Polizei. Kommt das denn öfter vor? Schweigen. „Es ist kompliziert“, windet sie sich zunächst. Dann folgt ein Redeschwall über den „repressiven Staat“, über „Faschismus“, der sich überall in unserer Gesellschaft breitmache und daß man jene schützen müsse, die sich gegen „diese Repression“ zur Wehr setzten. „Die Rote Hilfe trägt dazu bei, Menschenrechte und Demokratie zu schützen“, gibt die Frau ihre Sichtweise über jene Organisation wieder, die Verfassungsschützer dem gewaltorientierten Linksextremismus zuordnen. Und die alle jene von einer Unterstützung ausschließt, die mit der Justiz kooperieren.

Betreiber des Sozialen Zentrums ist der Verein Freiraum e.V. Als deren Verantwortlicher wiederum fungiert Jonas Rück, ein Auszubildender am Geographischen Institut der Ruhr-Universität Bochum. Zwischen dem Sozialen Zentrum und der als besonders linkslastig geltenden Universität bestehen enge Verbindungen. Die Linke Liste, eine im Studentenparlament vertretene Hochschulgruppe, trifft sich regelmäßig im Sozialen Zentrum. Gleichzeitig diente die Hochschule linksradikalen Gruppen auch immer mal wieder als Unterschlupf und vorübergehendes Domizil.

Staatlich finanzierte  Kinder- und Jugendarbeit

Etwa für das sogenannte Antirassistische Zentrum. Als dessen besetztes Quartier in einer alten Feuerwache einst von der Polizei geräumt wurde, fanden die Aktivisten an der Uni einen neuen Zufluchtsort. 

Ein weiterer Antifa-Treff der Stadt ist das Botopia. Der gleichnamige Verein gibt vor, Kunst, Kultur sowie Volksbildung zu unterstützen und sich darüber hinaus für „bürgerschaftliches Engagement zugunsten gemeinnütziger Zwecke“ einzusetzen. Dabei wolle man „Themen der politischen Bildung und Selbstorganisation, Nachhaltigkeit und der solidarischen Ökonomie einem breiteren Publikum zugänglich machen und die Zusammenarbeit zwischen Initiativen in Bochum und Umgebung verbessern.“ Ein Wortreigen, hinter dem sich auch linke Organisationen wie etwa Seebrücke, Stadt für Alle, Treffpunkt Asyl sowie queere Gruppen verbergen. Verantwortlich für das Botopia ist Christoph Bast, der auch als Projektleiter beim von der EU und dem Land Nordrhein-Westfalen finanziell unterstützten Verein IFAK e.V. tätig ist.

Bei IFAK handelt es sich nach eigener Darstellung um einen Verein für multikulturelle Kinder- und Jugendhilfe sowie für Migrationsarbeit, der zudem finanzielle Mittel in Höhe von 100.000 Euro aus dem Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erhält. Geld, mit dem die „politische und gesellschaftliche Teilhabe von Kindern und Jugendlichen“ gestärkt werden solle. Und mit dem die Projektleiter-Stelle des Botopia-Verantwortlichen Christoph Bast finanziert wird, der sich so mit staatlichem Segen als pädagogischer Mitarbeiter um Kinder und Jugendliche kümmern darf.


Lesen Sie in der kommenden Ausgabe Teil 11 der Serie: über die Antifa-Areas von München.


Fotos: Baumbesetzer im Rheinischen Braunkohlerevier mit Antifa-Fahne: „Viele sind in mehreren Gruppen dabei, das vermischt sich oft“ / Linken-Treff in Bochum: „Gegen Repression“