© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/24 / 04. Oktober 2024

Die Inflation vernichtete viel Kaufkraft
Allianz Global Wealth Report: Das Geldvermögen steigt weltweit auf den Rekordwert von umgerechnet 255 Billionen Euro
Christian Schreiber

Noch nie gab es auf der Welt soviel Reichtum wie jetzt.Deswegen titelte die Zeit ironisch: „Krise? Welche Krise?“ Die Hamburger Wochenzeitung bezog sich dabei auf die neuen Zahlen des Global Wealth Report der Versicherungsgesellschaft Allianz. Der Konzern stellte in der vergangenen Woche die 15. Ausgabe seines Berichts vor, der die offizielle Vermögens- und Schuldensituation der Haushalte in fast 60 Ländern unter die Lupe nimmt.

Das Jahr 2023 war demnach von einer starken Straffung der Geldpolitik geprägt. Doch die Volkswirtschaften erwiesen sich als widerstandsfähig und die Märkte zogen international sogar an. Doch das gilt leider nicht für alle Länder und schon gar nicht für Deutschland. Und so mußte auch die regierungsnahe Zeit einräumen, daß es bei den Erfolgsmeldungen aus dem Bericht „ein paar Haken“ gibt. Das liegt nicht nur an der Wirtschaftspolitik, denn viele Menschen in Deutschland verpassen demnach die Möglichkeiten auf größeren Wohlstand, weil sie falsch sparen. Ihre Geldanlagen sind nur gering verzinst und gewinnen damit nicht an Wert. Privatleute fallen damit hinter die Erfolge von Sparerinnen und Sparern im restlichen Westeuropa zurück. So berichtet die Allianz in ihrem Bericht auch davon, daß es weltweit drei verlorene Jahre gewesen seien, für Deutschland aber vier.

Deutschland hatte zwar 2023 mit einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 4,2 Billionen Euro die drittgrößte Volkswirtschaft. Die Bundesbürger liegen aber laut „Global Wealth Report“ auf Platz 15 der Vermögens-Rangliste. Das private Geldvermögen in den 57 Ländern, die die Allianz ausgewertet hat, stieg um 7,6 Prozent. Es erreichte im vergangenen Jahr den Rekordwert von 239 Billionen Euro weltweit. „Die Verluste des vorhergehenden Jahres sind vergessen“, erklärte Ludovic Subran, französischer Ökonom und Chefvolkswirt der Allianz. Im vergangenen Jahr war das weltweite private Geldvermögen um 3,5 Prozent zurückgegangen. Die Steigerung erklärt er vor allem mit dem starken Wachstum der US-Wirtschaft und dem Aufschwung an den Aktienmärkten. Wegen der hohen Zinsen haben viele Anleger im vergangenen Jahr umgeschichtet – die Wertzuwächse bei Aktien lagen etwa bei elf Prozent, während Bankeinlagen (also etwa Sparkonten) nur ein Wachstum von 4,6 Prozent verzeichneten.

Und hier kommt wiederum das „konservative“ Verhalten der deutschen Sparer ins Spiel, die auch im europäischen Vergleich schlecht abschneiden. In Westeuropa sei während der vergangenen 20 Jahre ein Drittel des Vermögenswachstums aus Wertsteigerungen der Anlagen selbst gekommen. In Nordamerika waren es sogar fast zwei Drittel. „In Deutschland ist der Vermögensaufbau fast nur durch weiteres Sparen zustande gekommen“, schreibt die Allianz. Deutschland hingegen sei immer noch ein Land der Bausparer und das, obwohl private Haushalte immer weniger bauen würden.

 Das sei ein Problem der unteren und mittleren Einkommensschichten. Je höher das Einkommen und desto höher das Vermögen von Menschen, desto mehr investieren sie in Aktien. Dies führt dazu, daß es mit Blick auf das Gesamtvermögen der Deutschen nicht einmal so schlecht aussieht. In Deutschland stieg demnach das Geldvermögen um 6,8 Prozent und wuchs damit stärker als im europäischen Durchschnitt, vor allem weil die Deutschen mit hohem Einkommen überdurchschnittlich stark auf Wertpapiere setzten. Nach Angaben des Deutschen Aktieninstituts legten etwa in Deutschland 17,6 Prozent der Bevölkerung ihr Geld in Aktien oder Fonds an. In den USA liegt die Aktionärsquote bei rund 50 Prozent der Bevölkerung.

„Das Sparverhalten ist ein entscheidender Schlüssel für den Vermögenszuwachs“, schreibt die Allianz dazu. Während sich das Geldvermögen in Westeuropa in den vergangenen zwei Jahrzehnten verdoppelt habe betrage der Zuwachs in den USA 178 Prozent, auch begünstigt durch günstigere Marktentwicklungen. Ein Blick auf das Pro-Kopf-Vermögen verdeutlicht diesen Trend. Nimmt man die Werte jedes Bürgers zum Maßstab, so führt die Schweiz die Rangliste an, gefolgt von den USA.

Das Immobilienvermögen entwickelte sich 2023 schwach

Die Schweizer besitzen umgerechnet 383.000 Euro pro Kopf, wobei die Autoren darauf hinweisen, daß die Lebenshaltungskosten in der Schweiz auch sehr hoch sind. Mit einem durchschnittlichen Geldvermögen von fast 315.000 Euro brutto lagen die US-Amerikaner 2023 weltweit auf Platz zwei. Zieht man die privaten Schulden ab, liegen die Amerikaner sogar auf dem ersten Platz. Die Deutschen verfügen dagegen im Schnitt nur über ein Geldvermögen von 95.026 Euro. Und in Deutschland kommt noch ein Problem hinzu: Von dem erwähnten Zuwachs bleiben nur 0,7 Prozent übrig, wenn man die Inflation abzieht.

Höhere Preise verringern die Kaufkraft. Im Jahr 2019 konnten deutsche Anleger von ihrem Geldvermögen noch 1,7 Prozent mehr mit ihrem Ersparten kaufen als Ende des Vorjahres. Dabei ist die Inflation kein rein deutsches Problem. Beispielsweise fielen auch in der Schweiz die Zuwächse inflationsbereinigt deutlich geringer aus. Übrigens: Im Gegensatz zu Finanzvermögen entwickelte sich das Immobilienvermögen 2023 schwach: Mit einem Plus von lediglich 1,8 Prozent wurde das niedrigste Wachstum seit zehn Jahren verzeichnet.

www.allianz.com/en/economic_research/insights/publications/allianz-global-wealth-report-2024.html