© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 41/24 / 04. Oktober 2024

Frisch gepresst

Goethe und die Frauen. Zum diesjährigen 250. Geburtstag Johann Wolfgang von Goethes am 28. August belieferte DPA die Feuilletonredaktionen mit allerlei kulturpessimistischen Hiobsbotschaften: Die Texte des Weimarer Dichterfürsten würden in der Schule immer seltener gelesen, selbst sein „Faust“ sei nur noch in wenigen Bundesländern Pflichtlektüre. Auch seine Theaterstücke erreichen kaum noch eine Bühne; in der Saison 2022/23 habe es nur kümmerliche acht Inszenierungen gegeben. Detlev Baur, Chefredakteur des Fachorgans Die Deutsche Bühne, erklärt das damit, daß „Faust“, ein „alter intellektueller weißer Mann“, eben nicht mehr zu „derzeitigen Diskursen“ passe und das Stück allenfalls umgeschrieben als „Doktormutter Faust“ ein Publikum fände. Die Geburtsdaten der Beiträger (1934 bis 1957) des Sammelbandes über die Frauengestalten in Goethes Roman „Wilhelm Meisters Lehrjahre“ scheinen solch düstere Einschätzungen zu bestätigen. Lediglich alte Bildungsbürger und germanistische Goethe-Philologen können sich für den Olympier noch begeistern. Und lesen sein Werk, um Distanz zum Zeitgeist zu wahren. Wie der Kieler Psychologe Hubert Speidel, der sich Wilhelm Meisters Liebe, der Kindfrau Mignon, widmet, um seine Interpretation mit deutlichen Worten gegen die LGBTQ-Lobby abzuschließen. Mignon sei eine hochaktuelle Figur, weil sie gegen das auf Teeni-Mädchen zugeschnittene verbrecherische Konzept von der „Existenz im falschen Körper“ zeuge. Denn an ihr zeige Goethe uns, daß es neben der sozialen Rolle eine „mächtige psychophysiologische (biologische) Kraft gibt, die das Schicksal“ von Menschen prägt. (wm)

Wilhelm Solms (Hrsg.): Die Lehrjahre Wilhelm Meisters bei den Frauen. Verlag LiteraturWissenschaft.de, Marburg 2024, 158 Seiten, 16 Euro




Spirituelle Suche. Durch bloßes Bibellesen ist noch niemand zum wahren Glauben (fides vera et christiana) gekommen – sonst gäbe es ja nicht den Irrglauben und die Häresien: die „dogmata pestifera“. Und tatsächlich ist die „Christliche Offenbarungsreligion“ keine Erfindung des besseren Affen „homo sapiens“, denn ohne die „Gratia Capitis“ fehlt die Vertikale, die Tiefe, die Grundlage des wesentlichen Denkens in „res religiones“. Hingegen ist das Opus von Hanna Jüngling ein tiefgründiges Werk, das sich von der modernen, materialistischen, nihilistischen und konsumorientierten Gesellschaft distanziert und sich auf eine spirituelle Suche begibt. Der Leser sollte es als „Wahrheitsmöglichkeit“ betrachten, denn leider ist die Theologie oft genug direkt ein Pfad ins Atheistengrab. Warum die Autorin jedoch gegen Weg- oder Bergkreuze polemisiert, ist einigermaßen rätselhaft. (W.O.)

Hanna Jüngling: Herodes oder Die Apokalypse der Repräsentationen. Zeitschnur Verlag. Walzbachtal 2024, broschiert, 385 Seiten, 23 Euro