© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 45/24 / 01. November 2024

Filmkritik / Leichen pflastern seinen Weg
Für eine Handvoll Dollar
Werner Olles

Als die Hollywood-Produktionen zu versiegen schienen, begann Italien Mitte der 1960er Jahre eigene Western herzustellen. Zu den berühmtesten Helden aller Italo-Western gehören Franco Nero alias „Django“ (1966) als schwarzgekleideter Rächer, einen Sarg hinter sich her schleifend, und Clint Eastwood in der „Dollar-Trilogie“ (1964 bis 1967, Regie: Sergio Leone) als geheimnisvoller Fremder und dann als Kopfgeldjäger. In einer Ikonographie von Musik (Ennio Morricone) und Bildern zeigt Leone die gewalttätigen Reaktionen seines Protagonisten mit kühler Distanz. Doch ist die allegorische Mythologie des Western im Grunde tragisch und wehmütig, weil die historische Existenz der ihn tragenden Männer zu Ende geht und ihr Traum von Freiheit, Mut und Männlichkeit nur eine schöne Legende war. Deutlicher als in Sergio Leones Rachegeschichte „Spiel mir das Lied vom Tod“ (1968) ist dies wohl nie besser dargestellt worden.

Im gleichen Jahr drehte Sergio Corbucci den dramatischen Western „Leichen pflastern seinen Weg“ (Il grande silenzio), der die Geschichte eines stummen Revolverhelden (Jean-Louis Trintignant) erzählt, der von einer Gruppe Gesetzloser engagiert wird, um sie und ihre Familien vor einer Bande skrupelloser Kopfgeldjäger zu schützen, die schon für ein paar Dollar Menschen töten. Anführer der Kopfgeldjäger ist Loco (Klaus Kinski), der einen Pakt mit dem Friedensrichter und Bankier von Snow Hill geschlossen hat, während der neue Sheriff (Frank Wolff) versucht, dem Gesetz Geltung zu verschaffen. Er sperrt Loco ein, doch dieser kommt frei und ermordet den Sheriff. Dann kommt es zum Duell mit Silenzio …

„Leichen pflastern seinen Weg“ ist nicht nur wegen seiner pessimistischen Botschaft und dem Konflikt mit dem Geschichtsbild des alten heroischen amerikanischen Westerns ein „politischer“ Film. Die Outlaws stellen hier die Pioniere des Westens dar, deren Gesellschaft zerfallen ist und die nun im Auftrag der neuen Herren – in Gestalt des örtlichen Friedensrichters und Bankiers haben Justiz und Kapital ein Abkommen mit den Kopfgeldjägern geschlossen – massakriert werden. Silenzios Tat ist ein Opfergang, der die Gewalt und Korruption anklagt, der Held ein Tragiker mit Idealen, Träumen und Hoffnungen, die sich nicht erfüllen. Als Extras bietet die Blu-ray ein umfangreiches Beiheft, ein Interview mit Klaus Kinski und ein alternatives Ende.

Blu-ray: Leichen pflastern seinen Weg. Filmjuwelen 2024, Laufzeit, 104 Minuten