Hinrich Rohbohm, Hannover
Sie haben keinen eigenen, weltweit anerkannten Staat, doch ihr Netzwerk bestimmt die Weltpolitik mit. Die Rede ist von Palästinensern. Sie liefern sich seit dem 7. Oktober 2023 einen verschärften Kampf mit dem jüdischen Staat Israel.
Was nach weiter Ferne klingt, ist jedoch auch in Deutschland hautnah zu spüren. Denn die zahlreichen Netzwerke von Palästinensergruppen entfalten nicht zuletzt aufgrund der Migrationspolitik der vergangenen zehn Jahre auch bei uns ihre Wirkung. Trotz der wiederholten Bekundungen der Regierung, daß es nach den Schrecken der nationalsozialistischen Herrschaft „nie wieder“ zu Judenhaß und Judenverfolgung in Deutschland kommen dürfe.
„Aber es geschieht“ , sagt Daniel. Die JF trifft den 26 Jahre alten BWL-Studenten in der Nähe der Synagoge in der Hannoveraner Haeckelstraße. Als in Deutschland geborener Jude achtet er besonders auf Veränderungen des politischen Klimas. „Mit der Flüchtlingskrise 2015 begann die Stimmung bereits zu kippen“, erzählt er. „Unsere Politiker haben nicht verstanden, daß sie sich mit der Aufnahme Hunderttausender Menschen aus islamischen Ländern einen neuen Antisemitismus importiert haben, den sie nur schwer unter Kontrolle bekommen werden“, sagt Daniel und sieht seine Ansichten heute bestätigt. Als die JF mit Daniel im Juni dieses Jahres spricht, warnt er bereits: „Es wird nicht mehr lange dauern, dann werden wir in Deutschland und Europa wieder Jagdszenen auf Juden erleben.“
Vier Monate später sollen sich seine düsteren Vorahnungen bewahrheiten. Als anläßlich des Fußball-Europa-League-Spiels Ajax Amsterdam gegen Maccabi Tel Aviv Israel-Hasser Maccabi-Fans durch die Straßen der Grachten-Stadt jagen. Sie mit Feuerwerkskörpern bewerfen. Sie zusammenschlagen und auf die am Boden liegenden jüdischen Fans eintreten (siehe Seite 9).
Am Donnerstagabend, dem 7. November, eskalieren die Ausschreitungen. Die Amsterdamer Stadtverantwortlichen verhängen einen Tag später eine Notverordnung. Und auch in Berlin bricht im Rahmen eines Fußballspiels nahezu zeitgleich Juden-Haß aus, als die B-Jugend von TuS Makkabi im Rahmen einer Auswärtspartie zu Gast bei Schwarz-Weiß Neukölln ist. Zuschauer sollen „Free Palästina“ geschrien und die Jugendspieler nicht nur bespuckt und beleidigt, sondern auch mit Messern und Stöcken verfolgt haben.
Die Jagdszenen von Amsterdam überraschen Daniel nicht
Für Daniel ist das längst nichts Ungewöhnliches mehr. „In zahlreichen Städten können jüdische Vereine schon jetzt kaum noch normale Spiele durchführen, ohne beschimpft, bespuckt oder tätlich angegriffen zu werden.“ Vor allem in Deutschland würde man die weitreichenden palästinensischen Netzwerke, die seit dem 7. Oktober 2023 verstärkt versuchen würden, anti-israelische Stimmungen zu schüren, stark unterschätzen.
„Die Deutschen lernen schon in der Schule unendlich viel über die Verbrechen an Juden in der Zeit des Nationalsozialismus. Aber den von radikalen Palästinensergruppen und ihren Verbündeten geschürten Haß gegen uns nehmen sie kaum wahr“, beklagt er. Daniel ist Deutscher. Und Jude. Und als solcher wittert er wesentlich feinfühliger Tendenzen, „die den meisten Deutschen offenbar entgehen“ wie er sagt.
Verantwortlich dafür macht er vor allem das hohe Maß an „Naivität in Europa und vor allem in Deutschland“ in bezug auf die radikalen palästinensischen Netzwerke, die seit dem Hamas-Überfall verstärkt versuchen würden, die muslimische Bevölkerung gegen Israel aufzuwiegeln. Dieses Ereignis habe etwas ausgelöst in der muslimischen Welt, deren Ausläufer sich inzwischen bis ins Herz Europas erstrecken. Radikale palästinensische Netzwerke würden seitdem mehr als je zuvor die Stimmung gegen Juden anheizen. „Ihre Netzwerke reichen weit in die Mitte der Gesellschaft hinein. Nicht jeder stellt dabei gleich seine antijüdischen Ansichten offen zur Schau.“
Besonders die Zusammenarbeit der Palästinenser mit dem Iran zeige dabei auch in Deutschland ihre Spuren. „Daß Frau Baerbock so merkwürdige Reden gegen Israel hält, ist eigentlich nicht verwunderlich“, meint Daniel und spielt auf den Einfluß iranischer Gruppen auf das Auswärtige Amt an. Etwa in Form von Adnan Tabatabai, einem Deutsch-Iraner, der mit seiner Denkfabrik „Carpo Bonn“ für das Auswärtige Amt als Berater fungiert und bereits mehrfach den Eindruck eines Mullah-Regime-Verstehers vermittelte. Für seine Beratertätigkeit erhält „Carpo Bonn“ vom Auswärtigen Amt jährlich Steuergelder in sechsstelliger Höhe überwiesen.
Besonders pikant dabei: Tabatabai entstammt einer dem Ayatollah-Regime sehr nahe stehenden iranischen Familie. Sein Vater Sadegh Tabatabai galt einst als enger Vertrauter des Revolutionsführers Ayatollah Khomeini. Als Sonderbotschafter des Irans schmuggelte Vater Sadegh einst Drogen und Waffen für das Mullah-Regime. Taten, die aufgrund seiner Diplomaten-Funktion strafrechtlich ungeahndet blieben.
Auch der Iran unterstützt
die Israel-Gegner großzügig
Selbst bei den Vereinten Nationen verfügen die palästinensischen Netzwerke über mächtige Verbündete. Etwa in Form der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIZ), die die Interessen von 56 Staaten vertritt, in denen der Islam als Staatsreligion fungiert. Staaten, die sich zumeist ebenfalls für die Interessen Palästinas und gegen die Israels einsetzen.
Für Daniel sind es jedoch die vielen kleinen Dinge, die sich derzeit verändern. Und die viele Deutsche im Alltag oft nicht wahrnehmen, erzählt er. Er spricht von den „Zischgeräuschen“, mit denen „kaum einer etwas anfangen“ könne, der nicht Jude sei. Die radikale Palästinenser und Israel-Hasser besonders bei Fußballspielen als provokante und makabre Anspielung auf die Gasduschen während des Holocausts nutzen würden. „Sie geben uns Juden dann mit diesem Zischen versteckt zu verstehen, daß sie uns tot sehen wollen.“
Auch vermeintlich weltoffene Institutionen wie Universitäten sind für Juden keine angstfreien Orte mehr. „Für so manchen Juden ist der tägliche Gang zur Uni zu einem regelrechten Spießrutenlaufen geworden“, schildert Daniel ein zunehmend beklemmendes Gefühl unter jüdischen Studenten. Denn auch auf dem Campus würden Zischgeräusche mittlerweile zunehmen. Beliebt sei auch der Schlachtruf „Hamas, Hamas, Juden ins Gas.“
Die Hamas ist jene Terrororganisation, die für die über 1.100 Morde und zig Entführungen in der israelischen Grenzregion zu Gaza im vergangenen Oktober sowie unzählige weitere Anschläge in ihrer 37jährigen Geschichte verantwortlich ist. In Deutschland agiert sie jedoch nicht über eigene Strukturen. Vielmehr unterhält und bezahlt sie ein ganzes Netzwerk an Vereinen, Initiativen und wieder weiteren Netzwerken, in denen Hamas-Sympathisanten aktiv sind.
Die Netzwerke der Anti-Israel-Lobby wachsen dynamisch
Nach dem gleichen Prinzip funktioniert auch das „Solidaritätsnetzwerk“ Samidoun, das sich auf die Unterstützung inhaftierter palästinensischer Terroristen spezialisiert hat und besonders im Berliner Stadtteil Neukölln zahlreiche Unterstützer findet. Seit dem 2. November vorigen Jahres ist die Organisation in Deutschland mitsamt ihrer Unterorganisationen verboten.
Hervorgegangen ist Samidoun aus der Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP), einer 1967 gegründeten marxistisch-leninistischen Terrororganisation, die insbesondere in den siebziger Jahren mit Flugzeugentführungen von sich reden machte und seinerzeit eng mit der deutschen RAF (Rote Armee Fraktion) vernetzt war. Weil sie nach Einschätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz hierzulande keine Terroranschläge verübt, ist die bundesweit rund 100 Personen umfassende Gruppe bis zum heutigen Tag in Deutschland nicht verboten.
Seit 2005 existiert innerhalb der radikalen Palästinenser-Netzwerke mit der BDS-Kampagne zudem eine weitere in Deutschland aktive Gruppierung. BDS steht dabei für „Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“ , die sich zum Ziel gesetzt hat, Israel politisch, wirtschaftlich und kulturell zu isolieren. Vor allem im Zuge der zahlreichen Universitätsbesetzungen, Mahnwachen und Demonstrationen durch radikale Palästinensergruppen in Deutschland spielt BDS eine zentrale Rolle. Unter anderem rufen die Kampagnen-Anhänger dazu auf, nicht mit israelischen Universitäten zu kooperieren.
BDS wiederum kooperiert mit einer Fülle weiterer Netzwerke und Initiativen, die oftmals verdeckt und ohne offizielle Verantwortliche operieren. Wie etwa das Netzwerk Palästina-Solidarität, das auf seinen Internetseiten die Veranstaltungstermine zahlreicher Gruppen koordiniert. Über ein Impressum verfügen die Seiten nicht. Insbesondere arbeitet das Netzwerk mit auffällig vielen linksradikalen Gruppen zusammen. Beispielsweise mit „Cuba Si“, einer mit dem kommunistischen Kuba sympathisierenden Arbeitsgemeinschaft innerhalb der Linkspartei. Auch das einstige FDJ-Zentralorgan Junge Welt ist als Medienpartner mit von der Partie.
Ein weiterer BDS-Partner: die Initiative „Palästina spricht“. Die verfügt zwar über ein Impressum. Deren Verantwortlicher Mahmoud Sleimani sitzt jedoch nicht in Deutschland, sondern in der Hauptstadt Jordaniens, Amman. „Palästina spricht“ verortet sich selbst als „anti-rassistische Bewegung“, bestehend aus „palästinensischen und nicht-palästinensischen Aktivist*innen“ und ist ebenfalls dazu da, die zahlreichen Palästina-Gruppen zu koordinieren.
Ein weiteres Netzwerk ist die „Palästina-Initiative.“ Die hat ihren Sitz in Hannover. Und koordiniert von hier aus radikale Initiativen, die sich quer durch Niedersachsen verteilen.
Lesen Sie in Teil 2 dieser Reportage in der kommenden Ausgabe über die Koordination der radikalen Initiativen.
Grafiken, siehe PDF
Foto: Pro-Palästina Demonstration: Versammlungen schlagen leicht in Gewalt um, Studenten aus München werben für „Palästina“: Der Verkauf erlöst weitere Gelder