© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 47/24 / 15. November 2024

Kabinenklatsch
Eine Frau als Chef in der Kabine
Ronald Berthold

Am 2. Mai geschah etwas, das sich heute als historisch herausstellt. Nach der 0:4-Niederlage bei Rot-Weiss Essen feuerte der Drittligist FC Ingolstadt seinen Trainer Michael Köllner. Das war drei Spieltage vor Schluß der vergangenen Saison. In der Pressemitteilung hieß es, bis zum Saisonende übernehme interimsweise die U19-Cheftrainerin Sabrina Wittmann die Mannschaft. Am Sonntag gab es wieder ein 0:4 – diesmal für die Ingolstädter bei Hannover 96 II. Und auf dem Trainerstuhl sitzt immer noch die 33jährige. Aus der vorübergehenden wurde eine feste Anstellung. Wittmann ist die einzige Frau, die einen deutschen Profiverein coacht. 

Ich gebe zu, daß ich anfangs etwas skeptisch war. Kann das gutgehen? Kann eine Frau die Kabine für sich gewinnen? Denn neben aller Kompetenz ist die Akzeptanz in der Mannschaft das Wichtigste für die Autorität eines Trainers – oder einer Trainerin. Als erstes geht mein Blick beim Studium der Drittliga-Ergebnisse nun auf die Spiele des erst 2004 gegründeten FC Ingolstadt. Meine Zweifel sind echter Anerkennung gewichen. Die Oberbayern sind auf Platz sieben vorgerückt. Nur sechs Punkte trennen sie von Platz eins. Das Stadion, der Audi-Sportpark, ist mit 6.715 Zuschauern nicht berauschend ausgelastet.  

Ich drücke zwar mehr den Traditionsklubs an der Spitze der Zuschauertabelle wie Dresden (29.326), Aachen (23.464), Rostock (23.071) und Bielefeld (21.048) die Daumen. Aber Ingolstadt hat mit der mutigen Entscheidung, einer jungen Frau die Verantwortung zu übertragen, gepunktet. Wie gesagt, im Mai hielt ich das für verrückt – vielleicht sogar für ein Zeichen in Sachen Feminismus. Heute finde ich das sehr sympathisch.