Bislang gibt es wenige Studien, die die Intelligenz derjenigen untersuchen, die im Zuge der Flüchtlingskrise von 2015 nach Deutschland gekommen sind – und zweimal kam es rund um die Veröffentlichung zu einer Kontroverse. Beim ersten Mal machte der Bildungsforscher Heiner Rindermann im Focus die Ergebnisse einer Bachelorarbeit publik, wonach Asylbewerber in Chemnitz nur einen Intelligenzquotienten (IQ) von 90 hätten. 2019 traten vier Mitherausgeber der Zeitschrift Wirtschaftspsychologie aus Protest zurück, nachdem eine Studie des Ökonomen Bruno Klauk dort erschienen war.
Beide Forscher, gemeinsam mit dem britischen Psychologen James Thompson, legen nun im Journal of Controversial Ideas nach. Laut der neuen Studie liegen Flüchtlinge in Deutschland zwar 5 bis 10 Punkte über dem Intelligenzniveau der Herkunftsländer, aber 12 bis 15 Punkte unter dem deutschen Schnitt von 100. Das sei ähnlich hoch wie bei deutschen Hauptschülern oder in den Berufen Friseur und Bäcker, schreiben die Autoren in englischer Sprache. „Dieses Niveau ist zu niedrig, um die Grundlage für ein zweites Wirtschaftswunder zu bilden, insbesondere nicht in einer zunehmend komplexer werdenden technologischen, sozialen und kulturellen Moderne.“
Sind die Unterschiede vor allem genetisch oder umweltlich bedingt?
Rindermann, Klauk und Thompson führten keine Intelligenztests mit Asylbewerbern durch, sondern beziehen sich auf drei frühere Erhebungen. Erstens auf eine Bachelorarbeit unter der Betreuung von Rindermann, bei der 29 Asylbewerber aus Chemnitz im Jahr 2015 getestet worden waren (Ergebnis: Im Schnitt ein IQ von 92). Zweitens liegt eine Studie von Stuttgarter Psychologen vor, die 552 Flüchtlinge zwischen 2015 und 2017 untersuchten (IQ von 86). Die dritte Studie stammt von dem Mitautor Bruno Klauk, der zwischen 2017 und 2018 rund 500 Asylbewerber in Sprachkursen testete und deren IQ auf 90 schätzte.
Für die neue Studie zogen die Autoren zudem die Ergebnisse einer Vergleichsgruppe heran, die Klauk im Jahr 2022 gesammelt hatte. Der Professor der Hochschule Harz testete rund 400 Arbeitnehmer, Studenten und Rentner aus Deutschland mit dem IQ-Test, den er zuvor den Asylbewerbern vorgelegt hatte. Vergleicht man die beiden Gruppen miteinander, liegt der IQ der Flüchtlinge sogar nur bei 84 (statt 90). Klauk verwendete den BOMAT-Test (Bochumer Matrizentest). Der Multiple-Choice-Test beginnt mit einer 15minütigen Übungsphase, in der der Testablauf erklärt und Übungsaufgaben gelöst werden. Danach müssen die Testpersonen 30 Aufgaben in 30 Minuten lösen. Im Schnitt lösten die Asylbewerber zwölf Aufgaben richtig, die Deutschen schafften 17 Aufgaben.
Jede Frage besteht aus einer Grafik mit 15 Feldern, die Formen und Figuren zeigen und bei dem ein Feld leer ist. In dieses Feld müssen die Testpersonen aus sechs Alternativen die Form auswählen, die das Gesamtmuster logisch vervollständigt. Daß solche IQ-Tests Migranten benachteiligen, verneinen die Autoren. Der BOMAT komme ohne Sprache aus und sei „rein figural“. Der IQ-Test der Stuttgarter Studie, der auch schulähnliche Aufgaben enthalten habe, sei sogar in der Muttersprache der Einwanderer durchgeführt worden. Auch den Einwand, die Flüchtlinge seien womöglich traumatisiert, halten die Autoren nicht für überzeugend. Schließlich würden die Flüchtlinge über dem IQ-Schnitt in den Herkunftsländern liegen.
Die Stichprobe von 499 Personen aus der Klauk-Studie von 2019 sei „größtenteils repräsentativ“. Die Anteile der Nationen und der Weltregionen kämen sehr nahe an die tatsächliche Einwanderung nach Deutschland, wie ein Vergleich mit dem Ausländerzentralregister zeige. Syrer sind in der Klauk-Studie die größte Gruppe, danach kommen Einwanderer aus Afghanistan, Irak und Iran. Auch die Ergebnisse der einzelnen Länder würden ähnlich ausfallen wie in internationalen Vergleichsstudien. Etwa ist der IQ von Einwanderern aus Osteuropa deutlich höher als der von Arabern.
Ob die Unterschiede vor allem genetisch oder umweltlich bedingt sind, lassen die Autoren offen. Unter Intelligenzforschern ist umstritten, wie hoch der Anteil der Gene ist. Die Angaben reichen bis zu 80 Prozent. Etwa nannte Thilo Sarrazin in seinem Bestseller „Deutschland schafft sich ab“ (2010) eine Spanne von 50 bis 80 Prozent.
Herkunftsländer verlieren den intelligenten Teil der Bevölkerung
Für ein zweites Wirtschaftswunder sei das Niveau mit Gewißheit zu gering, erklären die Autoren weiter. Kognitive Fähigkeiten hätten die höchste Voraussagekraft für die berufliche Leistung, Innovation und bahnbrechende Ideen. „Im weniger komplexen Dienstleistungsbereich, etwa in der Logistik oder im Handwerk, könnten sie – je nach Arbeitsmarktnachfrage und Persönlichkeitsmerkmalen – gute Chancen haben.“ Die Autoren sehen in den Testergebnissen eine Bestätigung für Rindermanns „Migration-ability paradox“ (zu deutsch Einwanderungs-Fähigkeits-Paradoxon). Demnach werden das Herkunftsland und das Einwanderungsland durch Migration schlechter gestellt, wenn das Fähigkeitsniveau im Einwanderungsland deutlich über dem im Herkunftsland liegt.
Das Herkunftsland würde den intelligenten Teil der Bevölkerung verlieren, während das Fähigkeitsniveau im Einwanderungsland sinke. Im Falle Europas gelte das etwa für zentralafrikanische Länder, wo der Durchschnitts-IQ bei 70 liege, und für Länder des Mittleren Osten (80 Punkte). Studien berichten von einem engen Zusammenhang zwischen Intelligenz und Phänomenen wie der Wirtschaftsleistung pro Kopf oder Korruption. Laut den beiden Autoren des Buches „Intelligence and Global Inequality“ (2009) korrelieren nationale IQs mit dem Nationaleinkommen (0,68), der Alphabetisierungsrate bei Erwachsenen (0,64), der Lebenserwartung (0,77) und Demokratisierung (0,57).
Ein Wert von 1 bedeutet dabei, daß sich zwei Größen exakt gleich entwickeln, also daß zum Beispiel mit steigender Intelligenz auch der Wohlstand in einem Land steigt. Bei null gibt es keinen und bei -1 einen exakt gegenläufigen Zusammenhang. In Deutschland liegt der IQ im Schnitt bei 100. Dabei liegen etwa 95 Prozent der Menschen zwischen 70 und 130 und 68 Prozent zwischen 85 und 115. Ein Unterschied von 15 IQ-Punkten entspricht dabei dem Unterschied zwischen einem Hochschulprofessor und einem Gymnasiallehrer oder einem Polizisten und einem Wachmann.
Logik-Test aus der IQ-Bestimmung: Studien berichten von einem engen Zusammenhang zwischen Intelligenz und Phänomenen wie der Wirtschaftsleistung pro Kopf oder Korruption
„Intelligence of Refugees in Germany: Levels, Differences and Possible Determinants“: journalofcontroversialideas.org/article/4/2/281
Die internationalen PISA-Studien der OECD
tionalen Schulleistungstests PISA der Pariser Wirtschaftsorganisation OECD weitgehend mit bekannten Intelligenztests übereinstimmen: „Leseaufgaben enthalten Tabellen und Grafiken, Naturwissenschaftsaufgaben umfangreiche Lesetexte, Mathematikitems mit viel Text versehene alltagsnahe Denkaufgaben. Problemlösen ist konzeptuell am geringsten von Intelligenz zu unterscheiden“, so der Bildungsforscher (Psychologische Rundschau 2/06). Demnach lagen die 15jährigen Schüler in Deutschland und Frankreich 2022 intelligenzmäßig im Mittelfeld (475 bzw. 474 Mathe-Punkte) der 68 untersuchten Industriestaaten – mit fallender Tendenz (-25 bzw. -21 Punkte im Vergleich zu 2018). Spitzenreiter sind Singapur (575/+6), Japan (536/+9) und Südkorea (527/+1). Die „Europameister“ Estland (510/-13), Schweiz (508/-7) und die Niederlande (493/-27) sind abgestürzt. Die Schlußlichter Serbien (440/-8), Griechenland (430/-21) und Rumänien (428/
-2) liegen weiterhin hinter der Türkei (453). (fis)
oecd-ilibrary.org/education/pisa_19963793