© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 51/24 / 13. Dezember 2024

Macron jongliert weiter mehr schlecht als recht
Frankreich: Nach dem erfolgreichen Mißtrauensvotum sucht der Präsident in fadenscheinigen Gesprächen den Schulterschluß mit der Linken
Friedrich-Thorsten Müller

Frankreich steht seit den vorgezogenen Parlamentswahlen im Juni ohne Regierungsmehrheit da. Seit dem durch die Unterstützung Marine Le Pens erfolgreichen Mißtrauensvotum des Linksbündnisses vom vergangenen Mittwoch hat das Land nun auch keine reguläre Regierung mehr. Eine deutliche Mehrheit von 331 der 577 Abgeordneten hatte dem Antrag zugestimmt, die Regierung Barnier zum Rücktritt zu zwingen. In der Opposition stimmten lediglich die LIOT-Fraktion (Vertreter der Überseegebiete) und einige Einzelpersonen gegen den Antrag der Linken.

Da nach vorgezogenen Nationalversammlungswahlen das Parlament erst nach zwölf Monaten erneut aufgelöst werden kann, muß Präsident  Emmanuel Macron nun mit den bestehenden Mehrheitsverhältnissen weiterarbeiten. Seit letztem Freitag führt er entsprechend Sondierungsgespräche mit den Parteien der Linken, die mit dem Wahlbündnis Nouveau Front Populaire (Neue Volksfront) 193 Abgeordnete stellen. Allerdings weigert sich mit Jean-Luc Mélenchons LFI („Das unbeugsame Frankreich“) die mit 71 Mandaten stärkste Partei, an diesen Gesprächen teilzunehmen. Marine Le Pens Rassemblement National (RN) wurde dagegen von Macron gar nicht erst zu Gesprächen eingeladen. 

Der Rassemblement National wird mal wieder ausgegrenzt

Um gegenüber seinen Wählern glaubwürdig zu bleiben, versucht der Präsident erst einmal mit vermeintlich gemäßigteren Parteien der Linken in Sachen Regierungschef und Staatshaushalt Kompromisse zu finden. Nach den Einzelgesprächen bemühten sich diese allerdings, ihre Bereitschaft zur Mehrheitsbeschaffung für Macrons Politik vehement zu verneinen. So brachte es die Vorsitzende der Grünen, Marine Tondelier, auf den Punkt, daß es nun an Macron liege, „etwas anzubieten, das nicht nur die Fortsetzung seiner Politik“ sei. Als mögliches Beispiel nannte sie die Rücknahme der Anhebung des Renteneintrittsalters auf 64 Jahre. Auch der sozialistische Fraktionsvorsitzende Boris Vallaud knüpfte die Kooperationsbereitschaft seiner Partei an klare Bedingungen. So werde es ohne einen linken Premierminister keine Regierungsbeteiligung der Sozialisten geben, äußerte er gegenüber dem Radiosender France Inter. Rechnerisch bräuchte Macron für eine Parlamentsmehrheit neben den Sozialisten mit 66 Abgeordneten aber sowieso mindestens eine weitere Oppositionspartei.

Am Dienstag nach Redaktionsschluß lud Präsident Macron nach den Einzelgesprächen die Parteien, „die sich in Sachen Regierungsbildung im allgemeinen Interesse kompromißbereit zeigten“, zu gemeinsamen Sondierungen ein. Lediglich Jean-Luc Mélenchons LFI und Le Pens RN blieben dabei außen vor, wobei sich der RN-Vorsitzende Jordan Bardella bis zuletzt um eine Gesprächsteilnahme bemüht hatte. Die RN-Fraktionsvorsitzende in der Nationalversammlung, Marine Le Pen, erklärte indes in einem Interview mit Le Figaro nochmals die Beweggründe für die Unterstützung des Mißtrauensantrags. Der FN habe in den vergangenen Monaten bei allen Gesetzesvorhaben eine konstruktive Haltung gezeigt, ohne daß dies honoriert würde. „Wir studieren jeden Text, beurteilen ihn, ob er uns für die Franzosen positiv erscheint. Im Bezug darauf und ohne Hinterfragung, von wem der Text ist, stimmen wir zu, enthalten uns oder lehnen ab. Wir sind die einzigen, die so handeln.“ Kommentar Seite 2