© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    02/98 02. Januar 1998

 
 
Umkehr nach Rom
Von Kai Guleikoff

Zölle sind Einnahmen des Staates, ähnlich der Abgaben bei Verbrauchssteuern. Zollpflicht besteht bei Grenzübertritt einer Ware. Die Politik bestimmt damit die Intensität der Warenströme, mit fördernder oder hemmender Wirkung. Das Elend der Binnenzölle im vielgeteilten Deutschland des 19. Jahrhunderts ist allgemein bekannt. Die Vision der Zollfreiheit im 21. Jahrhundert zeichnet sich durch das GATT-Abkommen (siehe Grafik ) ab. Auf den ersten Blick erscheint dieser Trend verbraucherfreundlich. Zölle erhöhen die Preise oder verringern sogar durch "Schutzzölle" das Angebot von Importen. Letztere dienen der Existenzsicherung nationaler Warenproduzenten. Diese Schutzfunktion wird jedoch zunehmend als wirtschaftshemmend im Sinne der Globalisierung gesehen. Vom Standpunkt multinational organisierter Wirtschaftsunternehmen und Finanzinstitute her gesehen ist das richtig. Der Trend von Großindustrie und Großbanken geht in Richtung einer immer weiteren Konzentration durch Fusionierung. Damit entzieht sich das Kapital immer mehr der politischen Kontrolle und macht selber Politik. Die dienende Funktion der Wirtschaft geht dadurch verloren. Ursprünglich war sie Instrument, mit dessen Einsatz die Bedürfnisse der Gesellschaft befriedigt werden sollten. Diese nationale Aufgabe erfüllt nur noch weitgehend der Mittelstand. Er beschäftigt 70 Prozent der Arbeitnehmer und bestreitet 90 Prozent des Steueraufkommens. Mit dem ebenfalls bemerkbaren Trend der Verringerung mittelständischer Unternehmen, erhöht sich stetig die Anzahl der Arbeitslosen und sinken die Steuereinnahmen. Das soziale Gleichgewicht, Grundlage der politischen Stabilität, geht verloren. Aufgabe der Politik müßte daher sein, beste Bedingungen für den Erhalt und die Vermehrung des Mittelstandes zu schaffen. Leider hat sich keine deutsche Partei der Gegenwart ernsthaft dieser Aufgabe verschrieben. Das Geschwätz von der "Selbstregulierung der Märkte" soll von der Konzeptionslosigkeit und Inkompetenz der Politiker ablenken. Der einzige gangbare Ausweg aus diesem Dilemma wäre die Rückkehr zum Konzept der Römischen Verträge von 1957. Europäisierung statt Globalisierung wäre als Zielstellung bereits groß genug, im notwendigen Wechselspiel zwischen Wirtschaft und Politik gestaltbar und für den Bürger mental erträglich. Der Vorrang nationaler Interessen hat mit "Nationalismus" nichts zu tun, gerade im Wirtschafts- und Währungssystem nicht. Innerhalb Europas soll Zollfreiheit herrschen. Auf den Handel mit außereuropäischen Staaten ist ein einziger Zoll als "Priorität der Gemeinschaft" zu erheben. Warenerzeuger und Dienstleister innerhalb Europas erhalten Vorrang. Importe könnten dann nur noch schwer europäische Erzeugnisse verdrängen. Ausgelagerte Industrie müßte aus ihren "Schutzgebieten der Billiglohnländer" zurückkehren und außereuropäische Anleger wären gezwungen, in Europa zu produzieren. Die 22 Millionen Arbeitslosen Europas, davon fünf Millionen in Deutschland, hätten die große Chance der relativ schnellen Rückkehr in die Arbeitswelt. Maastricht muß fallen!


 
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