© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    03/98  09. Januar 1998

 
 
Südostasien: Die Finanzkrise der Tigerstaaten und ihre Auswirkung
Ideal für den Dollar-Raum
Hans A. Bernecker

Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, mit denen viele Länder Südostasiens seit geraumer Zeit zu tun haben, werden in allen Prognosen dahingehend interpretiert, daß die dort ablaufende Finanzkrise schwerwiegende Folgen sowohl für die amerikanische als auch für die europäische Konjunktur haben müsse, und dies sogar "zwangsläufig". Als ein besonderer Gesichtspunkt gilt dabei die Befürchtung, daß die Japaner gezwungen sein könnten, ihre erheblichen Dollar-Anlagen letztendlich deshalb zu veräußern, weil sie Geld benötigen, um die Bilanzen der Banken zu sanieren. Was ist daran richtig?

Die japanische Finanzkrise geht jetzt ins 7. Jahr. Sie begann Anfang 1990 mit dem Einbruch des dortigen Aktienmarktes und der langen Lethargie der Börsenentwicklung in Tokio, parallel zur nur sehr zähflüssigen Sanierung des japanischen Immobilienmarktes. Diese Entwicklung ist noch nicht beendet, aber doch zu 80 Prozent absolviert.

Die Südostasien-Krise hat eine Schlüsselzahl: Die kurzfristige Verschuldung der privaten Wirtschaft in den sogenannten Tiger-Staaten beläuft sich zur Zeit auf etwa 400 bis 450 Milliarden Dollar. Die Hauptverschuldung liegt tatsächlich im Dollar und in keiner anderen Währung, auch nicht im Yen. Der Hauptbrocken davon entfällt wiederum auf Südkorea, für das sich das Defizit inzwischen auf über 150 Milliarden Dollar addiert hat. Der Löwenanteil dieser Kredite stammt aus Japan, was die Sanierung der japanischen Finanzwelt nun noch zusätzlich erschwert.

Jede Finanzkrise hat zwei Wirkungen: Rückgang der wirtschaftlichen Dynamik und sinkende Zinsen. Der Zusammenhang ist recht einleuchtend: Die langjährigen Musterknaben der Weltwirtschaft werden ihr Wachstum für die nächsten zwei Jahre rund halbieren. So werden aus plus sieben bis acht Prozent wahrscheinlich plus drei bis vier Prozent. Das ist eine Normalisierung und kein Desaster. Die güterwirtschaftliche Rückwirkung auf die Dynamik der westlichen Volkswirtschaften wird vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bei etwa 0,6 Prozent gesehen. Das ist keine Größenordnung, die irgendwelche Warnsignale aufleuchten läßt.

Indes: Finanzkrisen lassen sich nur abfangen, indem Liquidität zur Verfügung gestellt wird. Das ist das Spiegelbild oder die Begleiterscheinung sinkender Zinsen. Daraus folgt, daß die bisherigen Befürchtungen des vergangenen Jahres, wonach die Zinsen weltweit anziehen müßten, sich im Zuge der Asien-Krise ins Gegenteil verkehrt haben. Zusätzlich formulierte FED-Chef Greenspan soeben erneut, daß die Gefahr einer Deflation größer als die einer Inflation sei. Dies korrespondiert durchaus mit der nachlassenden Dynamik in Südostasien und der ohnehin leicht nachgebenden Schubkraft der amerikanischen Konjunktur für dieses Jahr.

Erneut niedrige Zinsen sind also nicht ausgeschlossen, im Dollar als der Führungswährung sogar wahrscheinlich. Geschieht dies im Anleihemarkt, so muß die amerikanische Notenbank dem mit sinkenden Zinsen am sogenannten kurzen Ende folgen, also im Diskont. Da der Dollar aber die Zinsen generell vorgibt, ist davon auszugehen, daß nachhaltig steigende Zinsen in faktisch keinem anderen Industrieland denkbar sind. Seltsamerweise korrespondiert dies nicht mit allseitigen Befürchtungen, wonach die Japaner gezwungen sein könnten, aus Liquiditätsgründen Dollar-Anleihen zu verkaufen und mithin daraus eine Finanz- oder Weltwirtschaftskrise entsteht.

Die Fakten belegen etwas anderes: Der Bestand an US-Titeln in Japan liegt bei etwa 400 bis 420 Milliarden Dollar in sogenannten Treasury-Bonds. 80 Prozent davon liegen aber nicht in den Banken-, sondern in den Versicherungsportfolios als Daueranlage. Das hat eine Doppelwirkung: Solange der Dollar steigt bzw. der Yen gegen den Dollar fällt, verdient jeder im Kurs, der solche Bonds hält. Die japanischen Versicherungsgesellschaften sind von der Finanzkrise kaum berührt. Ein Verkaufszwang erwächst daraus also nicht. Zudem entsprechen diese 400 bis 420 Milliarden Dollar Anleihebestand etwa acht Prozent der umlaufenden Treasury-Bonds im Gesamtumfang von etwa fünf Billionen Dollar. Außerdem besteht ein Poolvertrag zwischen Japan und den USA, wonach Angebote japanischer Bonds-Bestände von amerikanischer Seite aufgenommen werden. Das fällt den Amerikanern umso leichter, als der Bestand an Treasury-Bonds zunehmend geringer wird. Grund: Die Neuverschuldung der Amerikaner sinkt in diesem Jahr auf voraussichtlich 0,1 bis 0,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Neuausgabe von Treasury-Bonds wird also tendenziell geringer bzw. die Refinanzierung bedarf kleinerer Beträge. So kommt es, daß entgegen der Befürchtung eines Verkaufsangebotes von Treasury-Bonds die Dollar-Zinsen sinken, weil zunehmend Knappheit an solchen Bonds auftritt, der eine große Nachfrage gegenübersteht.

1998 enthält also finanzpolitisch im Dollar-Raum eine Idealkonstellation. Sie beginnt mit der leicht abnehmenden Wirtschaftsdynamik in den USA, dem Ende der Wirtschaftseuphorie in Südostasien und der zunehmenden Kontrolle der dortigen Finanzen durch den Internationalen Währungsfonds. Daraus erwächst eine Tendenz niedriger Zinsen, leicht nachgebender Konjunkturdynamik und mithin eine Entspannung für die Finanzmärkte in Europa und den USA.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen