© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    03/98  09. Januar 1998

 
 
Umfrage zur deutschen Schrift:
"Total doof"
von Claus-M. Wolfschlag

Deutsche Frakturschrift tritt heute im öffentlichen Leben kaum noch in Erscheinung. Allenfalls auf gutbürgerlichen Wirtshausschildern, im Kopf der FAZ, bei "Fantasy"-Brettspielen und auf Titelbildern einiger Gutmenschenzeitschriften, die mit Vorliebe die Worte "rechts", "deutsch" oder "Gewalt" in Fraktur setzen. Diese würden wohl ganz in Vergessenheit geraten, gäbe es nicht noch eine gewisse Anzahl von Vorkriegsliteratur in Frakturschrift auf dem Büchermarkt.

Doch wie sieht die Akzeptanz von Fraktur in der heutigen Jugend wirklich aus? In einer Schulhofumfrage wollten wir wissen, ob die Schüler der 90er Jahre mit dieser Schrift noch was anfangen können. Wenn es nach den Jungs ginge, gäbe es auch in Zukunft keinen Unterricht in deutscher Schrift. Steffen: "So was braucht man nicht". Oliver und Daniel begründen ihre Ablehnung damit, daß es heute kaum mehr Bücher in Fraktur gäbe, sondern nur noch "komische Bibelsprüche an der Wand". Die Mädchen dagegen zeigten sich ästhetisch eher angezogen. "Ganz toll", meint Carina und plädiert für eine entsprechende Erweiterung des Kunstunterrichts. Auch Conny, der Fraktur-Druckschrift schon einmal während der Förderstufen angeboten worden war, urteilt: "Voll interessant." Fraktur-Druckschrift können die meisten befragten Schüler auch ohne Unterricht lesen. Hierbei kommt vor allem die gotische Schrifttype an, während man originelle Frakturlettern als langweilig findet: "Wie bei Tante Resi an der Wand." Nur die deutsche Schreibschrift finden alle "total doof". Keiner kann sie vor dem fünften Blick auch nur ansatzweise entziffern. Das Schülerurteil lautet: "Sinnlos" und "Dauert zu lange". Susanne: "Das sieht aus wie Schmiererei." Das abschließende Urteil der Schülermehrheit: "Das ist alles hübsch, aber es wäre sinnlos, so etwas heute noch zu lernen."


 
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