© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    03/98  09. Januar 1998

 
 
Flüchtlinge: Mit Sprachgutachten gegen illegale Einwanderer
Betrügern auf der Spur
von Ilse Meuter/Richard Stolz

Vor bald fünf Jahren, im Mai 1993 ist das deutsche Asylrecht mit Zweidrittelmehrheit des Bundestages verschärft worden. Seitdem sind die Chancen von Asylsuchenden zwar leicht gesunken, was diese jedoch nicht davon abhält, ihr Glück zu probieren. Gilt nun das Herkunftsland der Flüchtlinge als sicher, müssen sie nach einem rechtsstaatlichen Verfahren Deutschland nach Lage der Dinge wieder verlassen bzw. können ausländerpolizeilich abgeschoben werden.

Zwar laufen derartige Verfahren leider oft genug auf eine sogenannte Duldungsverfügung hinaus – der Flüchtling darf mit behördlicher Erlaubnis bis auf Widerruf im Lande bleiben, und dies mit allen versorgungsrechtlichen Konsequenzen – aber viele Asylsuchende verlassen sich längst nicht mehr darauf, sondern nennen gleich bei der Einreise ein falsches Heimatland. Um dies zu unterbinden, will das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Nürnberg jetzt mit Sprach- und Textanalysen arbeiten, um potentiellen Asylbetrügern auf die Spur zu kommen.

Das neue Verfahren wird im Augenblick getestet. Erste Erfahrungsberichte liegen indes schon vor, denn in einem Probelauf Mitte 1997 wurden bereits umfangreiche Sprachanalysen erstellt. Kritik an dieser Methode meldete vor allem Pro Asyl, die Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge, an. Sie behauptet, daß die fachliche Qualifikation der Sprachgutachter zweifelhaft sei.

Dabei läuft eine Text- und Sprachanalyse wie folgt ab: In einem etwa halbstündigen Gespräch werden die Flüchtlinge gebeten, ihnen vorgelegte Fotos und Bilder zu beschreiben. Diese Unterhaltung wird auf Band mitgeschnitten. Experten in Schweden oder der Schweiz erhalten dann die Aufnahmen, untersuchen das Gesagte nach verschiedenen Kriterien und ordnen es später der Sprache eines bestimmten Landes zu. Dabei wird besonders auf Aussprache, Satzbau, Akzent und Betonung der Asylsuchenden geachtet.

Wenn der laufende Test erfolgreich sein sollte, will die Behörde statt ausländischen Experten in Deutschland Sprachsachverständige gewinnen. Die Analysen sollen dann als Hilfsmittel fest installiert werden. Das Bundesamt betont, daß dafür keine Gesetzesänderung notwendig ist, weil die Antragsteller auch bisher schon einer Mitwirkungspflicht unterliegen. Diese verpflichtet sie, Angaben zur Person und zu ihrer Identität machen.

Die Kritik von Pro Asyl läuft dagegen darauf hinaus, daß die Ausbildung der Sprachgutachter bislang offensichtlich nicht nach einheitlichen Bewertungsmaßstäben ausgerichtet und nicht nachprüfbar ist. Zudem müßten die Sachverständigen zumindest Ethnolinguisten sein, von denen es bei uns aber nur eine Handvoll gibt. Ein normal ausgebildeter Dolmetscher könne die erforderliche Qualifikation gar nicht erbringen, weil es ihm zum Beispiel unmöglich sei, zwischen den rund zweihundert Dialekten Nigerias und anderer westafrikanischer Länder zu unterscheiden. Hinzu komme, daß in Afrika sprachliche und staatliche Grenzen sehr oft alles andere als identisch seien.

Das Bundesamt stellte jedoch fest, daß die ersten Ergebnisse vom Sommer 1997 sehr aussagekräftig waren. Nach einer Auswertung der Sprachproben durch die schwedischen oder schweizerischen Gutachter konnten diese die betroffenen Asylbewerber in weit über neunzig Prozent der Fälle einem ganz bestimmten Heimatland zuordnen. In der absoluten Mehrzahl der Fälle hätten sich die Angaben der Flüchtlinge dabei als falsch erwiesen.

Genau diese niederschmetternden Ergebnisse sind es aber wohl, die Organisationen wie Pro Asyl mit Recht fürchten. Daher sollte sich das Nürnberger Bundesamt von der Stimmungsmache nicht beirren lassen.


 
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