© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/98  16. Januar 1998

 
 
Klage: Vier Wissenschaftler kämpfen gegen die Einheitswährung
Euro-Putsch Stoppen
von Martin Otto

Vier Männer gegen den Euro. Vier Herren durchschreiten den winterlichen Karlsruher Schloßpark. Ihr Ziel: Das Bundesverfassungsgericht. Im Beisein zahlreicher Pressevetreter übergeben sie ihre Verfassungsbeschwerde gegen die Einführung einer gemeinsamen europäischen Währung, Euro genannt.

Bei den vier Männern handelt es sich um die beiden ehemaligen Landesbankpräsidenten Wilhelm Nölling (Hamburg) und Wilhelm Hankel (Hessen), den Wirtschaftsprofessor Joachim Starbatty und den Rechtswissenschaftler Karl Albrecht Schachtschneider. Ihre Warnung: Die Arbeitslosigkeit werde der Euro anschwellen lassen, ja er werde den Bürger in seinen Grundrechten auf "Stabilität" und auf "substantielle Vertretung durch den Bundestag" verletzen. Und die klagenden Professoren sind keine Anfänger, sondern haben Bonn schon früher das Fürchten gelehrt. Schachtschneider hatte bereits mit einer vorangegangenen Klage am 12. Oktober 1993 das sensationelle erste Maastricht-Urteil in Karslruhe erstritten, bei dem er einer der Prozeßbevollmächtigten war (lesen Sie dazu auch das Interview mit Schachtschneider auf Seite 3 in dieser Ausgabe). Karlsruhe mußte damals explizit feststellen, daß eine Integration Deutschlands in einen europäischen Bundesstaat verfassungswidrig wäre. Man konstruierte stattdessen einen grundgesetzkonformen "Staatenbund".

Das Maastricht-Urteil entstand unter der Federführung des für Europafragen zuständigen, als unionsnah geltenden Verfassungsrichters Paul Kirchhof. Auf seinem Schreibtisch ruht nun auch die Verfassungsbeschwerde der vier Musketiere. 1993 hatte Schachtschneider massive Bedenken gegen eine europäische Zentralbank artikuliert, die "der demokratischen Legitimation entbehren" würde. Nunmehr sieht er auch das Eigentumsrecht durch die zu erwartende Geldentwertung gefährdet.

Die juristischen Erfolgschancen der Klage sind schwer zu bewerten. Sie ist jedoch ein beeidnruckender und mutiger Versuch, den demokratisch kaum legitimierten und abenteuerlichen Kamikazeflug der Bundesregierung in die europäische Weichwährung zu stoppen. Sollte die Klage Erfolg haben, würde dies die Regierung Kohl empfindlich treffen, da der Euro mittlerweile zur Ultima ratio ihrer Politik geworden ist. An die Stelle der Vertretung nationaler Interessen ist die Verfechtung einer utopischen Wunderwaffe namens "Euro" getreten, die auf einen Schlag alle Probleme lösen soll: Arbeitslosigkeit, Überschuldung, Wachstumsschwäche, Inflation. Obendrein können Bonner Politiker die Schuld für wirtschaftspolitische Handlungsunfähigkeit und Abschwung in Deutschland nach Einführung der europäischen Gummiwährung elegant nach Brüssel delegieren. Die Klage könnte einen Strich durch diese skandalöse Rechnung machen.

Selbst wenn der Einführung des Euro aber das Grundgesetz nicht im Wege stünde: das ausstehende Urteil wird dem Bürger, der zum Euro viele Fragen hat, zumindest eine wirklich detaillierte Begründung für die Währungsunion geben, die die Bundesregierung den Wählern noch immer schuldig ist und die stattdessen mit penetranter Propaganda abgespeist wird. Sollten aber formaljuristische Mängel bei der Einführung des Euro festgestellt werden, welche volkswirtschaftlichen Fehlberechnungen liegen ihr dann erst zugrunde?

Die Klage der vier Professoren, die als mutige Bürger auftreten, gibt ein Beispiel an Courage. Keine Angst vor Königsthronen – das ist die Botschaft der Wissenschaftler, die das Schicksal ihres Landes nicht politischen Hasardeuren überlassen und die Demokratie ohne Widerspruch aufs Spiel setzen lassen wollen. Es ist an der Zeit, daß die Bevölkerung das Verspielen des Volksvermögens und staatlicher Souveränität nicht mehr nur passiv zur Kenntnis nimmt. Es ist Zeit für lautstarken Protest. Ob die Deutschen einmal aufwachen?


 
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