© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    04/98  16. Januar 1998

 
 
Interview: Folkmar Koenigs über die Euro-Klagen
Wirksamer Schutz
von Thorsten Thaler

 

Herr Professor Koenigs, seit Montag dieser Woche ist beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eine Klage von vier Wissenschaftlern anhängig, die sich gegen die Einführung des Euro zum 1. Januar 1999 richtet. Für wie erfolgversprechend halten Sie diese Klage?

KOENIGS:

Im Rahmen der Pro-Euro-Kampagne der Bundesregierung behaupten viele Medien und einige der CDU nahestehende Wissenschaftler, die Klage sei aussichtslos. Ich selbst halte die Klage nicht für aussichtslos. Einmal aufgrund eigener Prüfung, aber auch deshalb, weil die vier Kläger dieser Klage und auch der Kläger einer weiteren Klage, der Mainzer Professor für Staatsrecht Hans Heinrich Rupp, sehr bekannte, qualifizierte Wissenschaftler sind und kaum eine aussichtslose Klage erheben würden. Aber auch deshalb, weil nach einer nicht dementierten Meldung in der Süddeutschen Zeitung, daß aufgrund der beiden älteren Klagen von Professor Rupp und eines Münchner Journalisten der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts bereits zur Bundesbank nach Frankfurt gereist ist, um sich zu informieren, und von dort angeblich sehr nachdenklich zurückgekommen ist. Welche Entscheidung nun am Ende ergehen wird, ist kaum vorauszusagen, da hier auch außenpolitische Überlegungen einzubeziehen sind. Ich erwarte eine einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts, daß die Bundesregierung ihre Äußerung im Europäischen Rat zurückstellen soll, bis das endgültige Urteil ergangen ist.

Können Sie kurz zusammenfassen, was die Kläger beantragen?

KOENIGS:

Es werden unterschiedliche Anträge gestellt in den Klagen. Die vier jüngsten Kläger verlangen im wesentlichen, die Bundesregierung zu verpflichten, im Europäischen Rat dem Beginn der Währungsunion erst zuzustimmen, wenn die sogenannten Konvergenz-Kriterien strikt und dauerhaft erfüllt werden. Professor Rupp verlangt, eine solche Verpflichtung der Bundesregierung festzustellen. Eine Verschiebung des Beginns der Währungsunion sei nicht nur zulässig, sondern auch geboten, weil die Voraussetzungen für eine Währungsunion zur Zeit noch nicht gegeben sind, nämlich eine dauerhaft übereinstimmende Haushalts- und Wirtschaftspolitik der europäischen Mitgliedsstaaten.

Halten Sie die Klagen für zulässig?

KOENIGS:

Eine Verfassungklage ist nach geltendem Recht nur vorgesehen gegen bereits erfolgte Eingriffe der öffentlichen Gewalt in Rechte der Bürger. Hier handelt es sich aber um eine Verfassungsbeschwerde gegen einen in der Zukunft beabsichtigten Eingriff in die Rechte der Bürger. Eine solche vorbeugende Unterlassungsklage ist im Gesetz bisher nicht vorgesehen. Sie wird gerechtfertigt, weil eine Klage gegen die Zustimmung der Bundesregierung im Europäischen Rat zu spät käme und praktisch keine Wirkung mehr haben kann. Solche vorbeugende Unterlassungsklage ist die einzige Möglichkeit wirksamen Rechtsschutzes.

Welche Gründe werden von den Euro-Klägern vorgetragen?

KOENIGS:

Gerügt wird, daß die sogenannten Konvergenz-Kriterien nicht strikt und dauerhaft erfüllt werden, wie es das Bundesverfassungsgericht als Voraussetzung für den Eintritt in die Währungsunion im Maastricht-Urteil von 1993 verlangt hat. Bereits bei Eintritt in die Währungsunion würde das Kriterium Schuldenstand nur mit "kreativer Buchführung" erfüllt, also mit Buchhaltungstricks. Vor allem aber würde das in Artikel 109j Maastricht-Vertrag vorgesehene Kriterium "dauerhafte Einhaltung der Haushaltsdisziplin" durch die gegenwärtigen Vereinbarungen, unter anderem dem sogenannten Stabilitäts- und Wachstumspakt, nicht gewährleistet und eine solche Haushaltsdisziplin der europäischen Mitgliedsstaaten sei auch nicht zu erwarten. Damit sei eine dauerhafte Stabilität des Euro nicht gewährleitet, und das bedeutete eine Verletzung des Grundrechts auf Eigentum durch höhere Inflation und des aus dem Sozialstaatsprinzips folgenden Stabilitätsprinzips.

Gehört Ihrer Meinung nach die Euro-Entscheidung vor ein Gericht oder in die Politik?

KOENIGS:

Eine derartige schwerwiegende Entscheidung gehört nicht nach Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht kann nur prüfen, ob Verfassungsgrundsätze und Grundrechte der Bürger verletzt sind. Das Verfassungsgericht kann und darf nicht die politischen und wirtschaftlichen Vor- und Nachteile einer solchen Währungsunion beurteilen. Das ist Aufgabe des Bundestages nach ausreichender Information der Öffentlichkeit, insbesondere auch der Abgeordneten, über die Vorteile und Nachteile der Währungsunion und einer entsprechenden öffentlichen Diskussion.

Eine solche Information und Debatte, auch über die unstreitig gegebenen Risiken der Euro-Einführung, ist aber bisher unterblieben. Es gab bisher nur eine sehr einseitige und oft sogar unzutreffende Information der Bundesregierung über die Vorteile sowie intensive und vielfach erfolgreiche Bemühungen, Euro-Gegner zu diffamieren und kritische Äußerungen zu verhindern.


 
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