© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de   06/98  30. Januar 1998

 
 
Justiz: Heinrich Klier, Wolfgang Pfaundler, Peter Matern und Gerhard Pfeffer dürfen wieder nach Südtirol einreisen
Scalfaro begnadigt Südtirol-Aktivisten
von Jakob Kaufmann

Der italienische Staatspräsident Luigi Scalfaro hat in der vorigen Woche vier Begnadigungsdekrete für Südtirol-Aktivisten unterzeichnet. Heinrich Klier, Wolfgang Paundler, Peter Matern und Gerhard Pfeffer dürfen nun wieder Südtirol bereisen. Sie laufen nicht mehr Gefahr, dort verhaftet zu werden. In den sechziger Jahren waren Klier, Pfaundler und Matern in Abwesenheit zu hohen Haftstrafen wegen verschiedener Sprengstoffdelikte verurteilt worden. Sie hatten damals durch Anschläge auf öffentliche Anlagen die internationale Aufmerksamkeit auf Südtirol lenken wollen. Das Land zwischen Brenner und Salurner Klause wurde damals noch von Rom aus völlig zentralistisch gelenkt. Die italienische Regierung versuchte, die Südtiroler zur Minderheit im eigenen Land zu machen, indem sie massenhaft süditalienisches Industrieproletariat um Bozen ansiedelte. Dagegen wehrten sich die Südtiroler Aktivisten. Hofrat Wolfgang Pfaundler wurde vorgeworfen, an Anschlägen auf Eisenbahnlinien und Stromanlagen beteiligt gewesen zu sein. Wegen des Anschlags auf die Einheit des Staates wurde der Schriftsteller in Abwesenheit zu 22 Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt. Pfaundler, der einst im Widerstand gegen das NS-Regime kämpfte, blieb in Nordtirol. So mußte er nicht ins Gefängnis: Österreich lieferte keine Südtirol-Patrioten an Italien aus, gleichgültig wessen sie angeklagt wurden. Dem promovierten Heinrich Klier wurde vorgeworfen, das Reiterstandbild Benito Mussolinis gesprengt zu haben. Das Gericht verurteilte ihn in Abwesenheit zu 21 Jahren Gefängnis. Die langjährigen Freiheitsstrafen wurden bereits vor Jahren um jeweils ein Viertel ihrer Dauer verkürzt. Peter Matern wurde zu Last gelegt, Sprengstoff besorgt und aufbewahrt zu haben. Im selben Prozeß wurden Norbert Burger, Peter Kienesberger und Erhard Hartung zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Richter befanden sie für schuldig, bei einem Anschlag einen Menschen getötet zu haben. In Gerhard Pfeffers Fall sollte Italien nicht nur begnadigen, sondern rehabilitieren. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg verurteilte Italien 1993 wegen des Prozesses gegen Gerhard Pfeffer. Das Gericht entschied, daß der italienische Staat eine Entschädigung für den Linzer Geschäftsmann zahlen sollte. Ein Bozener Gericht verurteilte ihn 1988 in Abwesenheit. Staatsanwalt Cuno Tarfusser warf ihm vor, am 4. November 1984 einen Hochspannungsmast in der Nähe von Meran gesprengt zu haben. Ohne einen belastenden Beweis zu haben, forderte er gar neun Jahre und sechs Monate Haft für Pfeffer. Da ihn die Staatsanwaltschaft durch Interpol suchen ließ, konnte Pfeffer jahrelang nicht ins Ausland reisen. Das war fatal für sein Geschäft. Das Urteil wurde lediglich aufgrund einer Zeugenaussage gefällt: der dutzendfach vorbestrafte Adalbert Holzner behauptete, er habe zusammen mit einem Gerhard Pfeffer aus Linz den Strommasten in Plars bei Meran gesprengt. Während des Prozesses gegen Pfeffer widerrief Holzner seine Aussage. Er beschrieb einen spitzbärtigen, dicken Mann namens Nocito, der zu ihm ins Gefängnis gekommen sei. Der Besucher habe ihm versprochen, daß ein anderes Verfahren gegen Holzner eingestellt werde. Er müsse dafür aber sich und Pfeffer mit dem Anschlag belasten. Holzner sagte vor Gericht aus, er habe nie einen Pfeffer gekannt. In Briefen aus dem Gefängnis beteuerte der Kleinkriminelle immer wieder, wie sehr er bedauere, gegen einen Unschuldigen ausgesagt zu haben. Gericht und Anklage glaubten Holzners Widerruf nicht. Die Richter verurteilten ihn schließlich zu fünf Jahren und acht Monaten. Pfeffers Verurteilung kam gelegen: Sie sollte als weiterer Beweis für die pangermanische Verschwörung dienen, die italienische Ermittler hinter den Anschlägen der achtziger Jahre sehen. Der Linzer erschien der politischen Polizei ausreichend verdächtig. Er ist Burschenschafter und unterhielt Kontakte zur Selbstbestimmungsbewegung Südtirols. Zudem war er Anfang November 1984, als der Strommast gesprengt wurde, zu Gast beim Südtiroler Schützenmajor Jörg Pircher in Lana bei Meran.

Der Südtirol-Sprecher des Österreichischen Parlaments, Andreas Khol (ÖVP), kommentierte die Begnadigungsakte: "Es war höchste Zeit, daß Scalfaro diesen Schritt setzte und ich rühme ihn dafür nicht sehr, dieser Akt war längst fällig." Der österreichische Außenminister Wolfgang Schüssel (ÖVP) verbuchte die Dekrete jedoch als politischen Erfolg. Er bezeichnete sie als "politische Geste mit großer Bedeutung, die im Zusammenhang mit dem Abschluß des Südtirol-Pakets stehen".

Der Vorsitzende der Südtiroler Volkspartei (SVP), Siegfried Brugger, hofft aber, daß die übrigen ehemaligen Aktivisten auch noch begnadigt werden. Noch immer müssen zehn der Kameraden mit hohen Gefängnisstrafen rechnen, sobald sie italienischen Boden betreten.


 
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