© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/98  06. Februar 1998

 
 
KUBA
Kolumne
von Heinrich Lummer

Die Ankunft erfolgte mit drei Stunden Verspätung. Die Iberia hat wohl regelmäßig derartige Probleme. Es ist nicht mehr, wie erwartet, heller Nachmittag, sondern schon dunkel. Trotzdem wird auf der Fahrt in die Stadt deutlich: Es gibt mehr Lichter, und die Straßen sind besser geworden. Besser geworden als in Honeckers Reich vor der Wende. Immerhin.

Beim Gang durch die Altstadt erlebt man frohe Menschen. Da gibt es keine verhärmten ängstlichen Typen. Die Türen der Häuser sind offen, überall Palaver und Musik. Man wird angesprochen, manchmal angefaßt. Nicht böse. Natürlich geht es letztendlich immer um Dollars. Aber das ist andernorts auch so, nur meist weniger nett. Die Mädchen sind zwischen reizend und aufreizend gekleidet – soweit sie überhaupt Kleidung tragen. Viel ist es nicht und meist hauteng, und die meisten können sich darin sehen lassen. Beim Drink im Gartenlokal wird der Tourist erkannt und wieder angesprochen.

Man möchte eingeladen werden. Armut schändet offenbar nicht. Schnell ist auch eine Straßenband da, die aufspielt. Einer singt plötzlich in Deutsch. Er war mal vier Jahre in Gera, und er erwartet ein paar Dollars. Diese Kontaktsuche kann auch ziemlich lästig werden. In jedem Ort wird man von fahrradfahrenden jungen Männern begleitet, die alle möglichen Dienste anbieten. Der eine bewacht, der andere putzt das Auto, der nächste will Zimmer und mehr vermitteln. Dann und wann gibt es auch ältere Frauen, die aus echter Not betteln. Der das Auto bewacht oder putzt, erwartet und erhält hier einen Dollar. So mag er am Tage 5 oder gar 10 Dollar zusammen bekommen. Dies ist mehr als ein Chefarzt im Monat verdient.

In jeder Diktatur gibt es Witze. Wenn man nach Witzen über Castro fragt, bestätigt man die Existenz. Aber keiner will einen erzählen. Es gibt noch Angst. Man kann mit der Kette spielen, aber nicht mit dem Affen, der daran ist, meint ein kubanisches Sprichwort. So erlebte ich bei einigen Gesprächen große Zurückhaltung.

Den Menschen ist der Glaube an den Sozialismus verlorengegangen. Insofern sehe ich in dem Entgegenkommen des Regimes in der Frage des Papstbesuches und einiger Zugeständnisse das Bemühen, die Kirche durch Umarmung für die Stabilisierung des Regimes zu gewinnen. Die Rede des Kommandanten im Parlament zum Papstbesuch kann auch als notwendige Überzeugungsarbeit an seine Genossen und die Partei verstanden werden. Es mag sein, daß der "Große Führer" in seiner geistigen Entwicklung weiter ist als seine Genossen.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen