© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    07/98  06. Februar 1998

 
 
US-Fimkonzerne: Europa ohne Schutz der Kultur
Amerikanisierung
von Alain de Benoist

Man spricht so gut wie nicht darüber, aber im Mai soll, auf Wunsch von Bill Clinton, ein multilaterales Übereinkommen über Investitionen abgeschlossen werden, von dem die Amerikaner sich die Möglichkeit versprechen, gewaltsam in den europäischen Kultur-"Markt" einzubrechen. Diese Angelegenheit wird nicht bei der Welthandelsorganisation (WTO), sondern bei der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) verhandelt. Und die vorbereitenden Dokumente lassen nicht den geringsten Zweifel daran, was dabei auf dem Spiel steht. Das offizielle Anliegen des Abkommens ist es, alle Hindernisse für einen freien Fluß der Investitionen abzubauen. Die unterzeichnenden Länder werden sich dazu verpflichten, ausländische Investitionen genauso wie einheimische Investitionen zu behandeln. Sie werden schließlich weder das Recht besitzen, für sich selbst Ausnahmeregelungen zum Schutz der eigenen Kultur zu beschließen, noch ausländischen Unternehmen Vorschriften über eine kulturell angepaßte Realisierung ihrer Projekte zu machen. Das Abkommen soll selbst das literarische und künstlerische Eigentum in diese Definition der Investition einschließen. Das Recht des Autoren würde dem amerikanischen Copyright angepaßt werden, das insbesondere denen, die die Rechte eines literarischen Werkes gekauft haben, erlaubt dieses nach ihrem Belieben auszubeuten, ohne das moralische Recht berücksichtigen zu müssen. Sollte die Kultur nicht aus diesem Abkommen ausgeklammert werden, hieße das, daß das Prinzip der "kulturellen Ausnahme", das heißt die Unterschutzstellung durch ein System von Quoten für Sendungen, für Kunstwerke und kulturelle Produktionen in bezug auf die Einschränkung des Marktsystems völlig vernichtet würde.

Mit einem solchen Abkommen wäre der französische Fonds zur Unterstützung des Kinos, um nur ihn zu erwähnen, jeglicher Bedeutung entleert, da die Amerikaner dann ebenfalls im Verhältnis ihres Marktanteils davon profitieren könnten, während der Fonds durch ein Gesetz von1948 eingeführt wurde, das Produktionsgesellschaften ausschloß, die nicht mehrheitlich französisches bzw. europäisches Kapital hatten. Die Texte, die diese Bedingungen abändern, werden übrigens in den nächsten Wochen den europäischen Instanzen zugeleitet. Jérôme Seydoux, Präsident der Filmgesellschaft Pathé und Mehrheitsaktionär der linken Tageszeitung Libération, erklärte im vergangenen Juni, daß er "eine Abschwächung der Regelungen, die die öffentliche Unterstützung der französischsprachigen Dreharbeiten betreffen", erwarte. Deutlicher wurde er nicht.

Die Vereinigung der Autoren und der Dramatiker, deren Präsident Pierre Tchernia 1993 die Petition initiierte, die nach einem erbitterten Kampf die "kulturelle Ausnahme" bei dem Internationalen Zollabkommen GATT erlaubte, hat Alarm geschlagen. Auch wenn vorhersehbar ist, daß keine europäische Gesetzgebung das multilaterale Abkommen mehr aufhalten wird, haben die Europäer bereits jetzt aufgegeben. Am 10. September 1996 hat ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Tat das Prinzip der Vereinbarungen der amerikanischen Kabel-Programme in Belgien abgelehnt. In Frankreich hat daraufhin der Rat der Audiovisuellen Medien (CSA) festgestellt, daß nun nichts mehr diejenigen amerikanischen Kabelsender an der Wiedereinrichtung im französischen Kabelnetz hindern könne, die sich an keine europäischen Quoten hielten, wie etwa Cartoon TV, Disney-Channel, Fox-Kids usw.

Die Amerikanisierung von Kino und Fernsehen vollzieht sich in großem Maßstab. Bereits jetzt gehen 80 Prozent der Exporte der amerikanischen Kinoproduktion nach Europa, während amerikanische Fernsehfilme hierzulande etwa 60 Prozent der Sendezeit in Beschlag nehmen. 1995 haben die amerikanischen Konzerne 6,8 Milliarden Dollar Gewinn durch ihre Programme aus dem europäischen Markt gezogen, während die Europäer lediglich für 532 Millionen Dollars über den Atlantik verkauften. Aber mehr noch als zum Verkauf von einzelnen Filmen und Programmen sind die Amerikaner entschlossen, ihre Fernsehkanäle zu exportieren. Über Kabel und Satellit profitieren die Großen aus Hollywood, die bereits ihre Themenprogramme auf anderen Territorien eingerichtet haben, schon von ihrer dominanten Position auf dem Weltmarkt, während die europäischen Produzenten völlig isoliert sind. Als Resultat dieser Übermacht praktizieren die amerikanischen Filmmultis Dumping-Methoden und schließen erstaunliche Verträge ab. Disney Channel zählt bereits 300.000 Abonnenten, "die sich nicht mehr die Frage nach seiner Herkunft stellen", wie dies sein französischer Generaldirektor, Philippe Laco, scharfsinnig festgestellt hat.

Mickey Kantor, Unterhändler bei den GATT-Verträgen, hat 1993 erklärt: "Die Vereinigten Staaten sind logischerweise dazu ausersehen, eine vorherrschende Rolle in Europa zu spielen." Diese Logik hat einen Buckel. In Wirklichkeit wollen die Amerikaner 100 Prozent aller Bilder der Welt kontrollieren, weil sie wissen, daß, wer die Verfügbarkeit der Bilder dominiert, auch die Politik und den Handel beherrscht. Die audiovisuellen Medien sind für sie die zweite Quelle ihrer Einkünfte. Nach den Waffen.


 
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