© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/98 13. Februar 1998

 
 
Bundeswehr: Hochschullehrer kooperiert mit Linksextremisten
Zweierlei Maß
von Dieter Stein

Eine offizielle schriftliche Anfrage des Bundestagsabgeordneten Jürgen Augustinowitz an den Bundesinnenminister brachte es zu Tage: Ein Dozent der Bundeswehruniversität in Hamburg kooperiert offen mit Linksextremisten. Und das bisher ohne Konsequenzen.

Stein des Anstoßes: Ein sogenanntes "Handbuch deutscher Rechtsextremismus", das ein Sammelsurium von linksextremen Autoren von Ulla Jelpke bis Jens Mecklenburg vereint. Erschienen ist der mit wissenschaftlichem Anspruch aufwartende Band beim Linksaußenverlag "Elefanten Press" in Berlin. Auf 1.050 Seiten werden 1.650 Personen in Verbindung mit Rechtsextremismus gebracht. Darunter nicht nur Namen wie Gerhard Frey (Chef der DVU), Neonazis wie Arnulf Priem oder Michael Kühnen, sondern auch bürgerliche oder sogar ehemals grüne oder sozialdemokratische Politiker wie Alfred Mechtersheimer, Herbert Czaja, Heinrich Lummer, Herbert Hupka, Günther Rohrmoser und Herbert Gruhl. Unter den Vereinigungen wird die "Ökologisch-Demokratische Partei" (ÖDP) allein deshalb erwähnt, weil sie Abtreibung ablehnt.

Selbst vor höchsten Repräsentanten des Staates machen die Schreiber nicht halt: Die Autoren des "Handbuchs" behaupten über Bundesinnenminister Manfred Kanther und Bundespräsident Roman Herzog, sie versuchten "rassistische Morde für die eigene völkisch-nationalistische Politik zu nutzen". Ferner seien rechte Gedankenmuster "natürlich auch in den programmatischen Aussagen in der praktischen Politik aufspürbar", nämlich "in den Unionsparteien von Stoiber über Lummer, Mayer-Vorfelder, Heitmann bis hin zu Schäuble; in der FDP von den Berliner Nationalliberalen bis hin zur Anhängerschaft des Jörg Haider in Baden-Württemberg oder anderswo, ja sogar bis hinein in die SPD und die Grünen". Der in der Frage des Vorwurfes nationalistischer Politik wahrlich ehrpusseligen SPD wird sogar wegen gelegent-licher Euro-kritischer Äußerungen vorgeworfen, auf dem Weg zu einer "sozial-nationalistischen Kraft" zu sein.

Zu den Autoren des "Handbuchs" gehören bekannte linksextreme Namen: die PDS-Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke, Anton Maegerle (alias Gernot Modery) und konkret-Mitarbeiter Rolf Gössner. Und immer mittenmang dabei: Wolfgang Gessenharter, Politikprofessor an der Universität der Bundeswehr Hamburg. Flankiert sieht sich Gessenharter noch bei seiner Mitschreiberschaft von Helmut Fröchling und Markus Birzer, ebenso Politologen und Mitarbeiter am Politikwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr-Universität.

Der CDU-Politiker Wilfried Böhm wies bereits im Dezember letzten Jahres darauf hin, daß Gessenharter im Mai 1997 im Haus "Rissen" bei Hamburg im Rahmen einer Tagung seiner "Arbeitsgruppe Demokratieforschung" auch Vertreter aus dem Bereich des Linksextremismus teilnehmen ließ. Inzwischen liegt der JF die Teilnehmerliste vor. Neben Vertretern überregionaler Medien wie Focus, Spiegel, taz, Süddeutscher Zeitung, Vertretern der Verfassungsschutzämter des Bundes und der Länder konnten auch Vertreter des "Antifaschistischen Pressearchivs und Bildungszentrums" aus Berlin, die Mitarbeiter einer PDS-Landtagsfraktion und Jens Mecklenburg, der Herausgeber des "Handbuchs", teilnehmen. Böhm wirft Gessenharter Denunziation und – wie Augustinowitz – Zusammenarbeit mit Linksextremisten vor.

Nach den rechtsradikalen Umtrieben in der Bundeswehr nun ein neuer Skandal – nur unter umgekehrten Vorzeichen? Man könnte es annehmen. Nur daß viele Medien, die reflexartig auf jede Meldung über "Rechte und Bundeswehr" reagieren, in diesem Fall unkritisch wegsehen. Obendrein gilt Gessenharter als einer der meistgefragten Kronzeugen in der Diskussion um einen "Rechtsruck" der Bundeswehr. Gessenharter: "Es gibt in Teilen der Armee einen gewissen Resonanzboden für rechte Ideen." Er will darüber hinaus eine Verbindung von Rechtsextremisten und einem "Konservatismus, wie er in Teilen der CDU, FDP und auch in Teilen der SPD zu Hause ist" entdeckt haben. Selbst Formulierungen wie die des CDU/CSU-Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Schäuble über die "Nation als Schicksalsgemeinschaft" sieht Gessenharter als Beleg dafür, wie verfassungsfeindliche Botschaften "aus dem rechten Lager" in der Politik aufgenommen würden.

Augustinowitz wollte von der Bundesregierung wissen, "welche sicherheits- oder verfassungschutzrelevanten Informationen" ihr über Autoren und Organisatoren vorliegen, die an dem "Handbuch deutscher Rechtsextremismus’ mitgearbeitet haben". Staatssekretär Lintner antwortete am 2. Februar im Auftrag des Innenministers: "Eine größere Zahl der Autoren des Sammelbandes ‘Handbuch deutscher Rechtsextremismus’ ist im Zusammenhang mit linksextremistischen Bestrebungen bekanntgeworden. Darunter sind Mitglieder bzw. ehemalige Mitglieder der ‘Deutschen Kommunistischen Partei’ (DKP), des früheren ‘Kommunistischen Bundes’ (KB), der ‘Partei des Demokratischen Sozialismus’ (PDS), Personen der autonomen/antiimperialistischen Szene sowie ständige Autoren in linksextremistischen bzw. linksextremistisch gesteuerten Publika-
tionen."

Gegenüber der jungen freiheit distanzierte sich Gessenharter nicht von der Mitautorenschaft und Mitarbeit am "Handbuch deutscher Rechtsextremismus". Solange ihm nicht detailliert nachgewiesen sei, daß die Autoren oder Herausgeber linksextremistischen Aktivitäten zuzurechnen seien, halte er seine Zusammenarbeit aufrecht und stehe dazu. Gessenharter kritisierte in diesem Zusammenhang den von Verfassungsschutzämtern verwendeten Linksextremismusbegriff, der ihm zu weit gehe. Es sei keineswegs so, daß sich Links- wie Rechtsextremismus wie bei einem Hufeisen gleichwertig oder vergleichbar gegenüberstünden. Gessenharter kritisiert sogar die Verwendung des "Rechtsextremismus"-Begriffs für das Phänomen einer Neuen Rechten, bei der er differenzieren und eher von einem Brückenphänomen sprechen wolle. Gessenharter will, so erläutert er gegenüber der JF, niemanden in Sippenhaft nehmen, weil er früher einmal Mitglied einer links- oder rechtsextremistischen Organisation gewesen sei.

Der Hochschullehrer erhält auch auf Nachfrage den Vorwurf gegen den Unionspolitiker Schäuble aufrecht, er lehne sich in seiner Begriffswahl ("Nation als Schicksals- und Notgemeinschaft") an nationalistische und völkische Argumentationsketten an.

Der JUNGEN FREIHEIT lagen zu Redaktionsschluß Informationen vor, nach denen hochrangige Bundeswehr-Offiziere, Politiker und Publizisten sich in einer gemeinsamen Dienstaufsichtsbeschwerde gegen Gessenharter an das Verteidigungsministerium als Dienstherren wenden wollen.


 
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