© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    08/98 13. Februar 1998

 
 
Gleiwitz: Politprominenz eröffnet " Haus der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit"
Geld ersetzt keine gute Diplomatie
von Martin Schmidt

Am 17. Februar ist es soweit: Im oberschlesischen Gleiwitz wird um 17.00 Uhr in Anwesenheit der Präsidenten Roman Herzog und Alexander Kwasniewski das "Haus der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit" (ul. Rybnicka 27) eröffnet.

In dem nach polnischem Recht eingetragenen Trägerverein dieser neuen Kultur- und Bildungsstätte, die ausdrücklich auch der deutschen Minderheit in Schlesien zugute kommen soll, sind neben den großen Parteistiftungen (Friedrich-Ebert-Stiftung, Konrad-Adenauer-Stiftung und Friedrich-Naumann-Stiftung) sowie der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit noch der Verband der Sozial-Kulturellen Gesellschaften der Deutschen in Polen vertreten, die für die Region zuständige polnische Wirtschaftskammer in Kattowitz und die Gleiwitzer Zweigstelle der Polnisch-Deutschen Gesellschaft. Finanziert wird das Projekt ausschließlich mit bundesdeutschen Mitteln. Als Initiatoren taten sich die Bundestagsabgeordneten Hartmut Koschyk (CSU) und Markus Meckel (SPD), der oberschlesische Minderheitenvertreter Gerhard Bartodziej und die polnische Senatorin Dorota Simonides hervor.

Die Aufgaben des Gleiwitzer Hauses liegen nach Angaben des Trägervereins u. a. in folgenden Bereichen: Förderung der Deutschen in Schlesien im allgemeinen und ihres "Dialogs mit der polnischen Mehrheit" im besonderen, Popularisierung von Informationen aus Wissenschaft, Kultur, Geschichte, Wirtschaft, Gesellschaft und Politik beider Staaten, Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung, Hilfe bei der dringend gebotenen Umstrukturierung der Montanregion Oberschlesien, Unterstützung interregionaler Zusammenarbeit und des polnischen Beitrittswunsches zur EU. Konkret sind für die deutschen Oberschlesier neben Veranstaltungen zur politisch-zeitgeschichtlichen Bildung Fördermaßnahmen für die Verbandsarbeit vorgesehen. Darunter sind beispielsweise Seminare für Leitungskräfte zu Themen wie Personalführung, Buchhaltung, Öffentlichkeitsarbeit und Rhetorik zu verstehen. Zu den wichtigsten Zielvorgaben gehören der "Abbau von Stereotypen und Vorurteilen" im Verhältnis zwischen Deutschen und Polen und die "Förderung eines positiven Klimas/Umfeldes für die deutsche Minderheit".

Die Eröffnung des Hauses der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit in der Industriestadt Gleiwitz fällt in eine Zeit, da bei den alteingesessenen deutschen Oberschlesiern eine gewisse Resignation zu beobachten ist. Diese offenbarte sich besonders augenfällig im schlechten Ergebnis der Minderheitenliste bei den letzten Parlamentswahlen im September 1997.

Nur zwei Abgeordnete in der Woiwodschaft Oppeln kamen durch (vier Jahre zuvor waren es noch vier gewesen: drei in der Woiwodschaft Oppeln sowie einer in Gleiwitz), und der Senatssitz Bartodziejs ging verloren. Viele Oberschlesier hatten diesmal den Weg zum Wahllokal erst gar nicht angetreten – aus Enttäuschung über das in den vorangegangenen Jahren Erreichte. Andere entschieden sich, die Wahlaktion Solidarität zu unterstützen, um so endlich die Postkommunisten loszuwerden.

Sicher ist, daß das Interesse an deutschsprachigen Messen – nicht zuletzt angesichts der Unlust der Mehrheit der Pfarrer – konstant geblieben ist bzw. mancherorts sogar rückläufig. Noch immer völlig unbefriedigend ist die Bilanz in dem für die Zukunft der Volksgruppe entscheidenden Sektor Bildungspolitik. Die der Minderheit seit jeher besonders ablehnend gegenüberstehenden regionalen Behörden in Oppeln – zumeist sitzen hier noch dieselben Personen wie vor 1989 – blockieren hartnäckig jedwede größeren Fortschritte, speziell bei der Einführung des Deutschunterrichts an Grundschulen.

Bis heute gibt es keine einzige deutsche Minderheiten-Schule, an der – wie es das polnische Gesetz erlaubt – alle Fächer außer Polnisch und Geschichte in der Sprache der Minderheit unterrichtet werden. Der Rechtslage entsprechend müßte der Staat die Finanzierung einer derartigen Schule übernehmen, doch alle entsprechenden Anläufe der Sozialkulturellen Gesellschaften sind bislang am polnischen Desinteresse gescheitert. Ein Engagement der bundesdeutschen Politik in dieser Richtung ist erst seit wenigen Monaten erkennbar.

An bilingualen Schulen, wo einige Fächer auch in der Minderheitensprache unterrichtet werden, gibt es bis dato nur fünf Lyzeen, an denen jeweils eine bzw. zwei Klassen mit bilingualem Unterricht in zwei Fächern bestehen. Immerhin wird an ca. 140 Grundschulen in der Woiwodschaft Oppeln Deutsch als Muttersprache angeboten, das heißt, daß dort wöchentlich drei Stunden Deutschunterricht auf dem Plan stehen. Darüber hinaus können 133 von 543 Grundschulen und 105 Mittelschulen sowie Lyzeen in diesem Regierungsbezirk darauf verweisen, daß es Deutsch als Fremdsprache gibt. Die Nachfrage ist ungebrochen hoch, aber es mangelt an Lehrern, und von den 120 Lehrkräften aus der Bundesrepublik, die nach Polen entsandt worden sind, arbeiten nur 40 im Oppelner Schlesien.

Während im allgemeinen in der Republik Polen zweifellos eine Verbesserung des (Bundes-) Deutschenbildes zu beobachten ist, so läßt sich dieses für das größte Siedlungsgebiet der Minderheit in der Woiwodschaft Oppeln und für das oberschlesische Industriegebiet zwischen Gleiwitz und Kattowitz nur bedingt feststellen. Trotzdem ist das Hauptproblem für die Oberschlesier nicht in Oppeln und auch nicht in Warschau zu suchen, sondern in Bonn. Die dank finanzieller Unterstützung aus der Bundesrepublik in den letzten Jahren erzielten Verbesserungen sind zwar nicht zu leugnen, doch was jetzt wirklich fehlt, das sind ideelle Solidaritätsbeweise. "Es könnten ruhig ein paar Millionen weniger aus Bonn fließen, wenn nur endlich einmal Bundeskanzler Kohl oder Außenminister Kinkel in Oppeln einige aufmunternde Worte an uns richten würden!", so hört man von Oberschle-siern.

Tatsächlich krankt die Aufbauarbeit zugunsten der Deutschen Freundschaftskreise (DFKs) an der einseitig materiellen Ausrichtung der Bonner Hilfen und dem manchmal peinlich penetranten Bemühen, den Mächtigen in Warschau bloß nicht auf die Füße zu treten. Nicht zuletzt würde gerade den Polen die klare Vertretung bestimmter Standpunkte in der Minderheitenpolitik (nämlich so, wie man es gegenüber den Auslandspolen praktiziert) mehr Respekt abnötigen als eine von historischen Komplexen geprägte übervorsichtige Scheckbuchdiplomatie, auch wenn eine solche Politik anfangs sicherlich den einen oder anderen "Aufschrei" zur Folge hätte. Eine "Freundschaft", die auf materiellen Zuwendungen basiert, wird beim ersten ernsthaften Konflikt wie eine Seifenblase zerplatzen. Was die deutschen Oberschlesier konkret brauchen, ist der Druck der deutschen Regierung auf Warschau, damit diese endlich per Gesetz den Weg für zweisprachige Ortsschilder und die Akzeptanz der Minderheitensprache auf Ämtern und in Gerichten freimacht. Des weiteren sind zumindest in kleinerem Rahmen Entschädigungen für den geraubten bzw. konfiszierten deutschen Besitz fällig. Nicht zuletzt muß Bonn ein Wörtchen mitreden in bezug auf die geplante Neuordnung der Woiwodschaften (JF 7/98), damit es nicht im Zuge einer an sich positiven Stärkung der Regionen in der Republik Polen zu einem neuen Assimilationsschub in Oberschlesien kommt.

Einstweilen gibt die Eröffnung des Hauses der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit in Gleiwitz Anlaß zur Hoffnung, daß dessen Arbeit den Bestrebungen der Interessenvertreter der rund 800.000 Deutschen in Oberschlesien neue Dynamik verleiht. Vor allem könnten die geplanten Fortbildungsprogramme das Manko einer zu kleinen akademisch gebildeten Führungsschicht wenigstens etwas kompensieren.


 
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